laut.de-Kritik
Hinkt dem Puls der Zeit um Jahre hinterher.
Review von Artur SchulzTatsächlich, der unkaputtbare Troubador feiert am 30. September 2014 seinen bereits 80. Geburtstag. Und steht noch immer "Mitten Im Leben", wie er in seinem aktuellen Album für sich proklamiert. 16 Songkerzen zündet er dafür an. Doch so richtig brennen wollen nur die wenigsten.
Auch 2014 macht Udo Jürgens typische Udo Jürgens-Musik. So soll es sein, so darf es sein. So ziemlich jedes Anliegen beackerte er bereits in früheren Karrierejahren, da jedoch mit weit besseren Resultaten. Das Thema Freiheit z.B. fand im Eighties-Song "Sänger In Ketten" eine glaubwürdigere Entsprechung als heute im allzu plakativ inzenierten Schmalzler "Vogel Im Käfig".
"Der Mann Ist Das Problem" plagiiert musikalisch allzu offensichtlich den Megahit "Aber Bitte Mit Sahne". Allerdings ohne das damalige Amüsement. Statt sich in lockerem Augenzwinkern zu üben, verliert sich Udo gar in allzu sturer Verbissenheit. Ginge es um den Preis für die meisten angesammelten Uralt-Klischees in rund drei Minuten - klarer Anwärter auf Platz 1. Die schimmlige Schlussplatitüde "Doch die Frauen / lieben ihn trotzdem" setzt dem Ganzen noch eins obendrauf.
Hoffnung auf Erbaulicheres keimt auf in Udos Paradedisziplin, der gefühlvollen Ballade. "Was Ich Gerne Wär' Für Dich" bleibt nach dem Auftakt indes weit hinter allen freudigen Erwartungen zurück. Eine Zeile wie "Für dich möcht ich Chagall sein / und die Welt in Farben tauchen" verwöhnt zwar bekennende Romantiker unter den Hörern. Doch zurück bleibt lediglich ein Songgemälde, dessen Leuchtkraft reichlich matt ausfällt.
"Alles Aus Liebe" kommt musikalisch nicht über lockere Nichtigkeit hinaus, trotz allerlei aufmunternder Swing-Passagen. Da schiebe ich mir lieber den noch heute mitreißenden, weil eben viel frischer und sinnlicher interpretierten Siebziger-Klassiker "Schenk Mir Noch Eine Stunde" in den Player.
Aufgelockert wird die neue Songkollektion von vier Intermezzi, die zu den jeweiligen Albenstationen überleiten, und gerade wegen ihrer Kürze und Schlichtheit mehr Überzeugungskraft entwickeln als manch üppig ausgestatteter Track. Die Frage "Wohin Geht Die Liebe, Wenn Sie Geht" kann selbst Udo nicht endgültig beantworten. Der Platz der Nummer in der persönlichen Musik-Ablage hingegen ist vorprogrammiert: hinein ins Kistchen 'langweilig'.
Mehr Spaß fürs Ohr bietet "Das Leben Bist Du". Hier wartet der Protagonist mit einer gelungenen Umsetzung seiner Gedanken zur persönlichen Lebensgestaltung auf, verpackt in ein abwechslungsreiches, straffes Arrangement.
Das neue Album will textlich nah am Puls der Zeit sein, verliert sich dabei aber häufig in reichlich abgenudelten Klischees. In "Die Riesengroße Gier" prangert Jürgens Bankster und Börsenspekulanten an, kommt mit diesem Thema aber längst zu spät. Wenn schon alles gesagt und bis zum Erbrechen durchgekaut ist, bleibt nur abgestandener Mief übrig.
Für "Liebe Bleibt Liebe" bemüht Udo allerlei Vergleiche um die Wandlungen der Welt im Gegensatz zur großen Konstante Liebe. Und scheut dabei leider nicht die Griffe in die Mottenkiste: Der Slogan "Aus Raider wird Twix" hat bestimmt schon zwanzig Jahre auf dem Buckel - und schon damals niemanden richtig interessiert.
"Der Gläserne Mensch" ist - huch - "gefangen im Netz". Keine neue Erkenntnis. Dennoch Grund für Udo, jetzt "Alarmstufe Rot" auszurufen. Hilft aber nix mehr, wenn von der Titanic nur noch die Rettungsboote übrig sind.
Zum Schluss gibt es einen brandneuen Bademantel-Song. Und da macht der Barde alles richtig, hier gehört er hin. Mit all diesen unvergleichlichen Pianoakkorden, inmitten einer wohlig melancholischen Atmosphäre. Derartig packende Momente sind in der neuen Song-Kollektion leider zu rar gesät.
"Mitten Im Leben" läuft im Gegensatz zu seiner Intention auf paradoxe Weise der Zeit hinterher. Das Anpacken vermeintlich brandaktueller Themen gerät ausnahmslos zu spät. "Es gibt auch kein Leben / aus altem Applaus" erkennt Udo höchst passend in "Mein Ziel". Wirklich frenetischer Beifall will - und kann - für dieses eher durchwachsene Werk dann auch tatsächlich nicht aufkommen.
11 Kommentare mit 2 Antworten
Ach, schon schön, dass der Udo noch in diesem Alter Musik macht. Respekt dafür.
Antun wurde ich mir das Album nicht, da seine Musik wirklich nie meine Kragenweite war. Wahrscheinlich macht es Jürgens auch nicht anders als heutige Popkünstler, aber er ist eben Everybody's Darling und unantastbar. Mir solls egal sein.
Dieser Beitrag wurde nominiert für das Posting des Jahres.
... sprach der "Bei mir hat Annett ein Abonnement auf Vier-Sterne-Rezensionen"-Rezensent.
Ich freu mich schon auf "Frauentausch" von Howard Carpendale
Dabei ist Udo Jürgens doch noch auf jeden Zug aufgesprungen. Die Kehrtwende zum Dubstep nach seinem grandiosen Stoner Rock Album kann ich ihm dann aber doch nicht verzeihen.
dafür war sein Boombap-Album letztes Jahr ein echter Kopfnicker
Wer braucht diese Plattenkritik eigentlich? Leser von Laut.de hören den doch eh nicht, und dessen fans kaufen seine Album wohl nicht wegen Plattenbewertungen, abgesehen davon kennen sie die Seite wohl auch eh nicht.
Sie haben ja das " Antimännerlied " bereits treffend kommentiert . Dann können sie bestimmt auch verstehen , warum ich vor den Konzerten Männersolidarisierungsdemos angemeldet habe und dabei 3 Antwortlieder vortragen werde. Wie z.B.:https://www.youtube.com/channel/UC9FgQOYMr… MfG Schoreit