laut.de-Kritik

Iggy Pop, Michael Stipe u.a. singen Piraten- und Matrosenlieder.

Review von

Bei den Aufnahmen zum zweiten "Pirates Of The Caribbean"-Schmonz muss es Johnny Depp langweilig gewesen sein. Jedenfalls kam er mit Regisseur Gore Verbinski auf die Idee, ein Album mit Songs, die mit dem Thema zu tun haben, in die Wege zu leiten. Gesagt, getan.

Das Label ANTI war interessiert, mit Hal Willner fanden sie einen Projektleiter, der sich mit dieser Art von Compilations schon einen Namen gemacht hatte. Schließlich ist es nicht einfach, Material, Studios und namhafte Künstler weltweit zusammen zu bringen.

Inhaltlich ging es um Lieder, die einst auf Segelschiffen gesungen wurden, wenn Arbeiten im Takt durchgeführt werden mussten. Den dazu nötigen Rhythmus lieferten Shantys mit weniger kindertauglichen Texten, schließlich waren in der Regel weder Hosenscheißer noch Weibsvolk mit an Bord.

Anrüchiges zieht an, weshalb das Ergebnis "Rogue's Gallery – Pirate Ballads, Sea Songs and Chanteys" (2006) vor großen Namen nur so strotzte. Unter ihnen Nick Cave, Bryan Ferry, Antony Hegarty, Sting, Rufus Wainwright, Lou Reed und Van Dyke Parks. Sie füllten zwei CDs mit insgesamt 43 Lieder, auch wenn bei den Sessions 60 entstanden waren. "Hoffentlich gibt es noch einen Nachfolger. Die Hälfte der Stücke dazu hätte ich schön", gab Willner damals zu Protokoll.

Ein Wunsch, der sieben Jahre später mit "Sons Of Rogue Gallery" in Erfüllung geht: Wieder ein Doppelalbum, das mit vielen bekannten Namen ködert, wobei der Schwerpunkt nun etwas anders liegt. "Hier geht es weniger um Tod, Folter und Unzucht, was den einen oder anderen vielleicht enttäuschen wird. Diese Sammlung hört sich anders an. Vielleicht glücklicher?", gibt Willner zu Protokoll.

Welche Stücke Ausschuss vom ersten Album sind und welche eigens aufgenommen wurden, lässt sich im Einzelnen nicht nachvollziehen. Neu ist vermutlich das vorab veröffentlichte "Shenandoah" mit Tom Waits und Keith Richards, dem ungleichen vokalen Team, das schon 2011 mit "Last Leaf" für Furore sorgte. Wobei die Mischung aus brünftigem Hirsch und weinerlichem Wino diesmal nicht mehr überrascht, zumal der Traditional schon oft eingespielt wurde, unter anderen von Bruce Springsteen.

Dennoch ein Highlight, ebenso wie "Asshole Rules The Navy", auf dem sich Iggy Pop lediglich von einer Ziehharmonika begleiten lässt, und der Opener "Leaving Of Liverpool", den Pogues-Frontmann Shane McGowan mit einem zahnlosen, aber räudigen Nuscheln zum Besten gibt.

Alt ist auf jeden Fall Frank Zappas Instrumental "Wedding Dress Song/Handsome Cabin Boy", das bereits in den 80er Jahren auf einer obskuren Kompilation erschien. "So einfach es war, Vol. 1 zusammenzustellen, so schwierig war die Arbeit an Vol. 2", gibt Willner zu. Das ist diesem Werk auch anzuhören, das weniger aus einem Guss klingt und eher eine Zusammenstellung recht unterschiedlicher Songs darstellt.

Das gilt für die zweite CD noch mehr als für die erste. Michael Stipe & Courtney Loves "Rio Grande" lebt eher von Gitarrenfeedbacks als vom gelangweilten Gesang. Dr. John singt zu Bongos und Querflöte, während Multiinstrumentalist Todd Rundgren gleich im Anschluss einen billigen Techno-Track abliefert. Auf die Hip Hop-Nummer "Salley Racket" folgen Broken Social Scene mit dem verträumten, minimalistischen "Wild Goose".

Doch findet sich auch hier den ein oder anderen Aufhorcher, darunter Michael Gira mit dem Shanty "Whiskey Johnny" im New Orleans meets Carl Perkins-Arrangment oder Schauspieler Tim Robbins und Bangles-Sängerin Susanna Hoffs im einfühlsamen Duett "Marianne".

Executive Producer Johnny Depp kommt ebenfalls zum Einsatz, zu Beginn mit Shane McGowan, dann mit Patti Smith, beide Male an der Gitarre. Vielleicht war ihm diesmal nicht mehr so langweilig, dennoch fiel das vorliegende Album nicht so überzeugend aus wie das erste. Trotzdem bleibt es eine bemerkenswerte Mühe, alleine aufgrund der beeindruckenden Liste an namhaften Künstlern, die in teilweise gewagten Kombinationen ihren Beitrag leisten.

Trackliste

CD 1

  1. 1. Shane MacGowan – Leaving Of Liverpool (feat. Johnny Depp and Gore Verbinski)
  2. 2. Robyn Hitchcock – Sam's Gone Away
  3. 3. Beth Orton – River Come Down
  4. 4. Sean Lennon – Row Bullies Row (feat. Jack Shit)
  5. 5. Tom Waits – Shenandoah (feat. Keith Richards)
  6. 6. Ivan Neville – Mr. Stormalong
  7. 7. Iggy Pop – Asshole Rules The Navy (feat. A Hawk and a Hacksaw)
  8. 8. Macy Gray – Off to Sea Once More
  9. 9. Ed Harcourt – The Ol' OG
  10. 10. Shilpa Ray – Pirate Jenny (feat. Nick Cave and Warren Ellis)
  11. 11. Patti Smith and Johnny Depp – The Mermaid
  12. 12. Chuck E Weiss – Anthem For Old Souls
  13. 13. Ed Pastorini – Orange Claw Hammer
  14. 14. The Americans – Sweet And Low
  15. 15. Robin Holcomb and Jessica Kenny – Ye Mariners All
  16. 16. Gavin Friday and Shannon McNally – Tom's Gone to Hilo
  17. 17. Kenny Wollesen and The Himalayas Marching Band – Bear Away

CD 2

  1. 1. Frank Zappa and the Mothers of Invention – Wedding Dress Song/Handsome Cabin Boy
  2. 2. Michael Stipe and Courtney Love – Rio Grande
  3. 3. Marc Almond – Ship in Distress
  4. 4. Dr John – In Lure Of The Tropics
  5. 5. Todd Rundgren – Rolling Down To Old Maui
  6. 6. Dan Zanes – Jack Tar On Shore (feat. Broken Social Scene)
  7. 7. Sissy Bounce (Katey Red and Big Freedia) – Sally Racket (feat. Akron/Family)
  8. 8. Broken Social Scene – Wild Goose
  9. 9. Marianne Faithfull – Flandyke Shore (feat. Kate and Anna McGarrigle)
  10. 10. Ricky Jay – The Chantey Of Noah And his Ark (Old School Song)
  11. 11. Michael Gira – Whiskey Johnny
  12. 12. Petra Haden – Sunshine Life For Me (feat. Lenny Pickett)
  13. 13. Jenni Muldaur – Row The Boat Child
  14. 14. Richard Thompson – General Taylor (feat. Jack Shit)
  15. 15. Tim Robbins – Marianne (feat. Matthew Sweet and Susanna Hoffs)
  16. 16. Kembra Phaler – Barnacle Bill The Sailor (feat. Antony, Joseph Arthur and Foetus)
  17. 17. Angelica Huston – Missus McGraw (feat. The Weisberg Strings)
  18. 18. Iggy Pop and Elegant Too – The Dreadnought
  19. 19. Mary Margaret O’Hara – Then Said the Captain to Me (Two Poems of the Sea)

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