laut.de-Kritik

Fast will man sich freiwillig zur Kreuzigung melden.

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"'Die Passion Christi' wird dem Zeitpunkt gerecht, in dem die Handlung stattfindet. Der Grund, die Geschichte zu erzählen, liegt jedoch in seiner zeitlosen Botschaft. Diese Botschaft ist so aktuell wie die Reise auf diesem Album", erklärt Mel Gibson den Sinn dieser CD. Gemeinsam mit dem Videoregisseur Lian Lunson stellte er zwölf mehr oder weniger zeitgenössische Stücke zusammen, die seiner Meinung nach zum Film passen.

Die Auswahl straft jene Kritiker, die in dem blutreichen Streifen in erster Linie einen Splatterfilm sehen. Den schockierenden Bildern stehen Lieder gegenüber, die zum Nachdenken - oder gar zum Einschlafen - verleiten. Es handelt sich um die Ruhe nach dem Sturm, vielleicht sogar um die Auferstehung nach dem qualvollen Tod. Dabei wechseln sich so gut wie unbekannte Namen mit gestandenen Musikgrößen ab.

Den Anfang macht Holly Williams, Enkelin des legendären Hank, der "How Can You Refuse Him Now" schon zu seiner Zeit sang. Begleitet von einzelnen Klaviernoten, erzählt sie flüsternd und mit gebrochener Stimme so entzückend von Nägeln und Kreuzigung, dass man sich fast freiwillig melden würde - vor allem, nachdem man ein Foto von ihr gesehen hat. Der weißbärtige Rock'n'Roller Leon Russell sorgt für Stimmung mit souligen Gospelchor-Einlagen, Prediger Billy Graham erzählt von Erlösung, Ricky Skaggs bringt eine keltisch anmutende Acapella-Nummer ein. Zwar ist Waylon Jennings unlängst verstorben, dafür liefern seine Frau Jessie Colter und sein Sohn Shooter mit "Please Carry Me Home" eine emotionale Hommage.

Eine Zusammenstellung, die so weit durchaus überzeugt. Leider scheitert Cranberries-Sängerin Dolores O'Riordan kläglich an Schuberts "Ave Maria"; als würde ihr typisches Glucksen nicht genügen, trifft sie kaum eine Note auf Anhieb. Die Version in der Jean Paul Gaultier-Parfümwerbung ist da wesentlich besser gelungen. Anschließend legt Lee Ryan, Mitglied der Boygroup Blue, deutlich zu viel Pathos in "Why Me", das Johnny Cash schon auf seinem ersten "American Recordings"-Album interpretierte.

Gerade Cash ist der große Abwesende auf dieser CD. Wer verkörpert einen tiefen, gelebten Glauben mehr als er, zumal er die letzen Monate seines Lebens damit verbrachte, religiöse Lieder aufzunehmen? Ein Mangel, den auch die folgenden Beiträge nicht wett machen können. Nick Caves "Darker With The Day" schloss 2001 sein Album "No More Shall we Part" ab, "Where No One Stands Alone" ist eine von Elvis' bekanntesten Gospel-Nummern. "By The Rivers Dark" sang Leonard Cohen ebenfalls 2001 auf seinem schlechtesten Album "Ten New Songs", "Not Dark Yet" ist Bob Dylan anno 1997 ("Time Out Of Mind").

"Harms Way" von den unbekannten The Ghost Who Walks und "Precious Lord" der seit 1939 musizierenden Blind Boys Of Alabama weisen dagegen eine wohltuende Frische auf. Sie zeugen von einem Album, das einen guten Ansatz vorweist, am Ende jedoch am kommerziellem Ehrgeiz scheitert. Ohne das schon veröffentlichte Material und die wohl verkaufsstrategisch eingesetzten Namen hätte durchaus etwas Spannendes daraus werden können; so aber bleiben nur vereinzelte ergreifende Momente. Wie war das noch mal mit Jesus und den Händlern im Tempel, Herr Gibson?

Trackliste

  1. 1. How Can You Refuse Him - Holly Williams
  2. 2. Stranger in a Strange Land - Leon Russell
  3. 3. Are You Afraid to Die - Ricky Skaggs (Intro By Billy Graham)
  4. 4. Please Carry Me Home - Jessie Colter And Shooter Jennings
  5. 5. Ave Maria - Dolores O'Riordan
  6. 6. Why Me - Lee Ryan
  7. 7. Darker With the Day - Nick Cave & The Bad Seeds
  8. 8. Where No One Stands Alone - Elvis Presley
  9. 9. Harm's Way - The Ghost Who Walks
  10. 10. By The River Dark - Leonard Cohen
  11. 11. Precious Lord - The Blind Boys Of Alabama
  12. 12. Not Dark Yet - Bob Dylan

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