laut.de-Kritik
Tränendrüse drücken galore.
Review von Jasmin Lütz"Imagine all the people, living life in peace …". Mal ehrlich, den Song von John Lennon kann man langsam auch nicht mehr hören. Auf jeder Friedensdemonstration, wo ich ja fast jeden Monat hingehe, in jeder Eckkneipe und jetzt sogar als Werbesong für neue Energie, verfolgt mich "Imagine" seit Jahren. Der Song steht nun mal für Peace and Harmony und muss natürlich diese DVD "Come Together – A Night For John Lennon's Words And Music" feierlich einläuten. Ding Dong. 'Bitte auf die Tränendrüse drücken' – die Erste!
Ursprünglich sollte dieser Abend dem Ex-Beatle allein gewidmet sein. Doch das schreckliche Ereignis am 11.09.2001 (unglaublich, auch schon wieder über zwei Jahre her) erschüttert die ganze Welt und somit entsteht ein dritter Untertitel: Dedicated To New York City And Ist People! Da lassen sich die Amis nicht lumpen. Am 02.10.2001 treffen sich in der berühmten "Radio City Music Hall" die Superstars aus Film und Musik. Kevin Spacey moderiert die 1-1/2-stündige Gedenkfeier. Weitere herzzerreißende Gastredner sind u.a. Kevin Bacon, Steve Buscemi, Tim Roth, Ben Stiller und klar, Frau Lennon selbst. Sie huldigen den britischen Popstar. Seine Musik steht für Revolution, Frieden und Wahrheit. Aber mir scheint, dass die Stadt New York und seine Opfer doch mehr im Vordergrund stehen: "Alles ist anders seit dem 11.09. [...] New York liebt John Lennon [...] It's not good to shooting people [...] Unser Dank geht vor allem an die mutigen Feuerwehrleute, die zum Teil ihr Leben geopfert haben …"!
Aber kommen wir zum wesentlichen Teil dieser DVD. Die Musik. Wie erwähnt, beginnt die Feierlichkeit mit dem Tinitus "Imagine". Anfangs wird noch das Originalvideo gezeigt. Lennon mit seiner Frau Yoko Ono, ganz in weiß am Flügel. Und dann wird man direkt auf die "gruselige" Bühne gebeamt. Übrigens, die Bühnendekoration ist die Hölle. Hässlich ist gar kein Ausdruck. Die musizierenden Stars stehen auf einer hell erleuchtenden Bühne und sind von riesigen, goldenen Säulen gefangen. Im Hintergrund werden die ganze Zeit John Lennon Kinderfotos, Konzertauftritte und seine New York-Aufenthalte gezeigt. Etwas irritierend, aber doch auch sehr schön. John Lennon war nämlich ein Wahl-New Yorker, und das macht diese Metropole noch mal um Einiges stolzer und theatralischer.
Aber zurück zu "Imagine". Auf der pompösen Bühne wird der Hit dann weiter von Yolanda Adams und Billy Preston interpretiert. Gänsehauteffekt garantiert. Die Stimmen sind schon sehr beeindruckend, aber auch ein wenig zu dick aufgetragen. Wenn es nach mir ginge, hätte den ganzen Abend lang nur Sean Lennon singen können. Der Sohn ist seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, und auch stimmlich überragt er alles an diesem Abend. Bei "Across The Universe" bekommt er Unterstützung von Moby und Rufus Wainwright. Immer mit Akustikgitarre begleitend überzeugt Lennon junior auch mit seiner Interpretation von "This Boy" und "Julia", das er bescheiden seiner Mama Yoko widmet.
Ein weiteres Highlight ist die fetzige Version "Revolution" von den New Yorkern Stone Temple Pilots. Das Original rockt ja schon wie Sau, und die Jungs setzen noch mal mit viel Würde einen Schlag auf den Hinterkopf drauf. Und da konnte selbst das Publikum nicht mehr still sitzen. Standing ovations garantiert!
Auf den Trauerkloß Alanis Morissette hätte man eigentlich verzichten können. Auch Rockröhre Cyndi Lauper kommt mir ein wenig zu esoterisch daher. Sie sitzt draußen vor der Halle, umgeben von Menschen mit "No war"-Friedensplakaten. In der Mitte ein Kreis aus Kerzen, und Cyndi singt "Strawberry Fields Forever", als würde sie gleich zu einem exstatischen Voodoo-Tanz abheben. Ob das Mr. Lennon gefallen hätte?
Aufatmen kann man noch mal bei Mr. Velvet Underground Lou Reed. Er interpretiert "Jealous Girl" ohne künstliche Leidensmine und absolut hörbar. Aufs Klo musste ich bei Craig David. Ich glaube bei dieser "Come Together" Dussel-Rap-Einlage würde sich so mancher im Grabe umdrehen. Das "Give Peace A Chance-Ensemble-Klatscht-In-Die-Hände-Und-Lobet-Den-Herren-Finale" war mir auch zu heftig. Zu viel Hollywood und zu viel Patriotismus.
Wer auf Filme wie "Schlaflos in Seattle" steht und damals ein "Band-Aid" Poster über dem Bett hatte, sollte sich diese Tribute DVD auf jeden Fall vom Christkind schenken lassen. Bei einem wahren John Lennon-Fan bin ich mir nicht sicher, ob das Teil so gut ankommt. Aber da hat ja jeder seinen eigenen Geschmack. Einen Extra-Punkt gibt es allerdings für die Interviews und Bemerkungen vom Beatle selbst, die zwischen den Huldigungen und musikalischem Potpourri gezeigt werden. Hier erfährt man viel über John Lennon. Er war nicht nur begabt und ein Kämpfer für den Frieden, sondern hatte auch unglaublich viel Charme, und seinen britischen Humor hat er auch nie verloren. Sehr schön die Erklärung zu "Lucy In The Sky With Diamonds". Ja, das hat nämlich nix mit LSD zu tun ...
Noch keine Kommentare