laut.de-Kritik
Der Himmel über Frankfurt bleibt schwarz.
Review von Mirco LeierVega besitzt das außergewöhnliche Talent, seine künstlerische Vision in vier Minuten besser zum Ausdruck bringen zu können als in 40. Es ist wie verhext. Immer wieder schafft er es, einen mit Singles zu ködern, nur um mit dem darauffolgenden Album jedes Mal aufs Neue zu zeigen, weshalb man sich an sein letztes kaum noch erinnert.
So warf er auch dieses Jahr in Form des unglaublich bewegenden "WSSMNSB" einen einsamen, schillernden Fisch ins rabenschwarze Meer und breitete seinen Schmerz vor uns aus. Hatte man sich allerdings dazu entschlossen, zuzubeißen, bekam man den ungewürzten Pathos seiner Leidensgeschichte so unnachgiebig in den Rachen gestopft, dass einem beinahe schlecht wurde.
Es ist ja nicht so, als wäre dieses Level an Dramatik für die Wunden, die Vega mit diesem Album aufreißt, völlig deplatziert. Schließlich spricht er verdammte düstere Themen an, aber statt die Emotionen aufkeimen und die Stille laut werden zu lassen, haut er sie uns Song für Song mit dem Baseballschläger in die Rübe.
"Als Du Gingst" oder "Teleskop" fahren nicht nur furchtbar billige Instrumentals auf, sondern verwässern ihre eigentlich sehr berührenden Inhalte mit billigsten Vocal-Hooks, die alle Melancholie zu emotionalem Fast Food werden lassen. Gastsänger Anu gelingt es auf "In Den Himmel Hoch" noch am ehesten, den Kern des Songs zu bewahren. Auch, wenn Vega ihm in Sachen Bedeutungsschwere mit seinen Verses fast den Rang abläuft.
Gerade deshalb möchte ich noch mal ausdrücklich erwähnen, wie gut im Kontrast dazu der Opener funktioniert. Dem Intro geht diese Künstlichkeit ab, da gibt es kaum Plattitüden, keinen Bourani-Verschnitt, der buchstabiert, wie wir uns zu fühlen haben - einfach nur ein trauriger Mann beim Psychiater, der sich den Schmerz von der Seele redet. Da ist Emotion in der Stimme, man hört die Müdigkeit und den Frust, es klingt authentisch. Dass Vega dies auf einem Intro tut, ist nicht neu, aber so schmerzhaft zu Ende gedacht, klang das selten. Das verdient sogar den Blockbuster-esken Drop des Albumtitels als Klimax.
Vega verbringt zwar nicht die komplette Spielzeit des Albums damit, seine Seele an der Stange tanzen zu lassen. Dennoch schafft es sein anderer Modus nur bedingt, die Richtung maßgeblich zu ändern. Wenn sich der Frankfurter nicht gerade selbst ans Kreuz nagelt, prügelt er sich in der Eintracht-Kurve blutig oder rennt vor den Bullen weg. Allerdings tut er auch dies nicht, ohne weiter an seiner Legende zu arbeiten. Wenn der Pathos nicht gerade die Tränen fließen lässt, dann soll er wenigstens den Blutdruck in die Höhe jagen. So oder so bleibt der Himmel über Frankfurt schwarz.
Begleitet von Fanfaren kündigt er mit den Worten "V ist wieder da" seine Rückkehr an, als sei er ein Batman-Bösewicht. Vega will, dass man ihm Denkmäler baut, inszeniert sich als kaputte Naturgewalt irgendwo zwischen "La Haine" und Scorsese. Der "asoziale Deutsche mit der Whiskey-Fahne", der mit dem Eintracht-Schal. Wenn er auf "Frankfurt Ist Rau" mit einer Hundertschaft Hooligans in dein Kaff einfällt, dann klingt das, als wäre es ein Endzeitfilm. "Pech Und Schwefel" hält das Versprechen des Titels und ballert Plattitüden um die Ohren, bis einem schwindelig wird.
Das Problem ist nicht mal, dass die Songs so monothematisch ausfallen, sondern dass Vega jedes Mal die gleiche musikalische Blaupause anwendet. Sobald der Bass etwas lauter ballert und die BPM ansteigen, kann man schon vorab die Bengalos zünden. Beim ersten Mal macht das noch Feuer unter dem Arsch. Blöd nur, dass dieses ziemlich schnell erlischt.
Vega ist ein guter Rapper, aber er bleibt auch auf "Wieso Sie Stürme Nach Menschen Benennen" erneut darin gefangen, dass die emotionale Bandbreite nur von wütend bis traurig reicht, diese Dualität trägt aber nicht ein komplettes Album. Insbesondere, weil er je länger seine Karriere andauert, sich nur noch mehr dem Pathos hingibt, der seiner Musik seit eh und je innewohnt.
Auch das Outro folgt dieser Logik und resümiert in Form einer dramatischen Piano-Ballade, die, als hätte das Album dies nicht ohnehin ausreichend getan, ein Liebesbekenntnis an die Stadt Frankfurt formuliert. Es ist der erste Song, der wieder ein wenig an die Emotionalität des Intros anzuknüpfen vermag. Der Song ist gut, doch ein kleiner Moment steht stellvertretend für das Problem des gesamten Albums.
An einer Stelle rappt Vega: "Die wollen mit aller Macht Top-Hits schreiben / Ich will mit aller Macht trocken bleiben". Er lässt diese Line mit einer Pause kurz nachhallen. Statt diese Drastik jedoch sacken zu lassen, ruft er gleich zweimal hinterher: "Ist traurig, oder?". Fast jeder Song auf diesem Album fühlt sich genau so an, als würde einem unentwegt ein kleiner Vega im Ohr sitzen, der einem Variationen dieser drei Worte zuflüstert. 'Ist traurig, oder?', 'Ist krass, oder?', 'Ist gefährlich, oder?', 'Ist wütend, oder?' Falls man da irgendwann auf Durchzug schaltet, kann es einem wirklich niemand übelnehmen.
6 Kommentare mit 3 Antworten
Höre ich mir nicht an, aber der Albumtitel ist Bombe
Review klingt eher nach 3/5
titeltrack ist sehr gut, rest hör ich mir nicht an
"ist traurig oder?" In der Tat die Reviews bei laut werden von Jahr zu Jahr trauriger. Vega ist und war schon immer Pathos. Zb der Satz ist traurig oder passt, einfach Stille hätte nicht diese Wirkung. Aber das ist alles Geschmackssache. Gebe dem Album eine 3 von 5, es geht mir auch nicht um die Bewertungen sondern wie die Reviews hier mittlerweile geschrieben sind, ist in Gegensatz zu besseren Zeiten, einfach nicht gut. Die Review ist nun nicht das Paradebeispiel dafür, da gibt es hier natürlich schlechtere. In letzter Zeit zb trauriges Beispiel die Soziopath Meisterwerk Review. Bei vielen Reviews ist man nach dem lesen auch nicht klüger weil sich der Autor, hier in diesem Fall auf eine Sache einschließt wofür Vega immer stand, Bilder voller Pathos malen. Und die härteren Tracks sind halt auch Vega. Es wird auf 3 Tracks so halbwegs eingegangen. Der Opener nach dem Intro finde ich zb sehr gelungen, vom Sound, gute Energie, guter Beat passende adlips. Der selben Autor gibt Shirin David Album 3 von 5. Aber egal allgemein die Reviews auf laut waren früher oft unterhaltsam, mittlerweile erfährt man in vielen Reviews nicht mehr viel, meistens wird sich auf eine Sache eingeschossen und der Rest ist beiläufig oder gar nicht erwähnt. Oft hat man auch das Gefühl, die Review passt nicht zum Autor, weil das allgemein gar nicht seine Musik ist (allgemein auf laut bezogen) Gibt es Dani Fromm eigentlich noch?
Wenn du Jahrelang still warst und es nicht für nötig erachtet hast, mal eher was zu schreiben, brauchst du dich jetzt hier gar nicht so beschweren. Daniel Fromm ist immer noch hier, genauso wie Svenja Kabelitz.
Ansonsten aber echt ein funny Kommentar. Am besten fand ich die Kombination von "Mir geht es ja gar nicht um die Bewertung." und "Der selben Autor gibt Shirin David Album 3 von 5."
Dieser Kommentar wurde vor 9 Monaten durch den Autor entfernt.
Mir geht es in erster Linie nicht um die Bewertung, richtig. Der Nebensatz zu Shirin David ändert daran nichts, aber freut mich das du dir einen Nebensatz rauspickst , der ändert nichts am Rest des Textes. Aber schön das du es funny findest.ich war schon mal hier unter anderem Namen, selbst wenn nicht wäre es vollkommen irrelevant.
Danke trotzdem für die Antwort zu Dani Fromm
Album ist leider etwas schlechter als die Singles erhoffen ließen.
Ich finde auch, dass die poppigen Hooks oft über das Ziel hinausschießen.
"In den Himmel hoch" funktioniert da noch am besten.
Das Lied mit Takt32 ist auch ein Griff ins Klo.
Ansonsten aber schon ein ganz gutes Ding, immernoch besser als 90% der anderen Deutschrap-Releases. Paar Banger, paar pathosgeschwängerte Dinger...3/5 geht mindestens klar.
Und Platte ist definitiv 5/5 klar hat man von ihm auch schon iwie gehört, aber er malt Bilder, ändert die Reimschema und sorgt für Gänsehaut ober er es kühl ausspricht oder seine Stimme richtig schön rotzig wird. Nicht jede Hook passt zu 100% aber es bleibt trotzdem real. Zwischen Haus auf den Kanaren und Moseleck.
Fazit: Kunst!!!