laut.de-Kritik
Leidensdrang zwischen Folk, Americana und Rock.
Review von Martin Leute"The blood I keep is the blood I make / (...) / come home and lay all your grief / how you ever gonna come clean, with a heartache closing in? / We paid the price for the tourniquet". ("Tourniquet")
Angeblich hat sich diese englische Band um Mastermind Richard Weinberg von dem Schmerz und dem Zweifel des ihres ersten Albums ("Where The Killers Run", 2005) verabschiedet. Davon kann aber weder lyrisch noch musikalisch die Rede sein. "Send For The Sea" ist trübe stimmender Folk Noir mit Rock- und Americana-Anleihen, der die menschliche Verstörung aufgrund uneingelöster Sehnsüchte musikalisch ausstellt.
Die geschlagene Akustikgitarre bildet zu schweren Drums die dynamische Basis des Openers, auf die sich Weinbergs eintönige Melodielinie legt. Eine markante, immer wieder Trost versprechende Geige, die Mandoline, der Bass, die Pedal Steel und einnehmender weiblicher Backgroundgesang sorgen auch im weiteren Verlauf für eine aufwühlende Dramaturgien.
Mit ähnlicher Dynamik und Struktur präsentieren Viarosa Stücke wie "The Old Walls" oder "Beggars And Thieves", das man atmosphärisch in Nick Caves "Henry's Dream"-Phase rücken kann. Effektvoll prägen das Keyboardspiel und die E-Gitarre die klaustrophobische Kulisse, während die Lap Steel im Hintergrund säuselt. Der von der Verzweiflung zur Aggression anhebende brüchige Gesang bringt das Aufbegehren für eine menschlichere Welt zum Ausdruck.
In den zahlreichen ruhigeren Momenten tendiert der Schmerzensmann Weinberg eher zum Sprechgesang. Während "Righteous Path" mit der Violine und der Zweitstimme seine zärtlichsten Ton erreicht, klingen "Cruel Pull Of The Stars", "The Sea" oder das von der gezupften Gitarre geführte "Ode To The Sunlight" mit denselben Mitteln wie eine morbide Synthese aus manchen Lambchop- und Tindersticks-Songs.
Dass Weinberg auch seinen Jeff Buckley gehört hat, offenbart "Harness", das mit Pianotupfern dezenten Frohsinn andeutet: "Come meet me where the hope begins/ come live out of your chosen skin". Sein theatralisch anhebender Gesang erreicht schließlich im melodramatischen "The Last Resolve" seinen Höhepunkt, aber nie die Intensität eines Buckley oder Cave.
Das zweistimmig vorgetragene "Shame On The Light" schafft im Gegensatz dazu mit seiner unaufgeregten Inszenierung erstmals ein Höchstmaß an unprätentiöser Intimität, da Weinberg diesmal auf das auf Dauer penetrante Gesangspathos verzichtet.
"I'll take You with me/ we'll go to the last, lover, we'll go until...", singt er im abschließenden "The Sea", um dann doch seinen Kopf über Wasser zu halten, der Liebe wegen. Schade eigentlich, ein tragisches "Romeo und Julia auf dem Dorfe"-Motiv hätte die Platte zu einem konsequenten, theatralischen Ende geführt.
"Send For The Sea" gefällt mit durchaus ansprechenden Arrangements, auf die trübe Atmosphäre wird sich aber nicht jeder einlassen wollen. Wer sich aber in sich pathetisch öffnende Abgründe begeben mag, dem sei diese, das Leiden pointiert stilisierende Scheibe dringend ans Herz gelegt. Offene Wunden lassen sich dazu prima lecken.
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