laut.de-Kritik
Gitarrenspuren aus dem Grab.
Review von Michael EdeleAls Gitarrist Denis 'Piggy' D'Amour Ende August letzten Jahres an Darmkrebs verstarb, hielten sich die Reaktionen selbst in der Metal-Szene in Grenzen. Denn obwohl Voivod schon fast seit ihrer Gründung vor 24 Jahren Kultstatus besitzen, kamen sie doch nie auch nur ansatzweise an etwas wie den kommerziellen Durchbruch heran.
Wer allerdings um die Einzigartigkeit der Band und vor allem des Gitarristen weiß, wird nachvollziehen können, welch großen Verlust die Musikszene mit dem Tod des 45-Jährigen erlitten hat. Doch glücklicherweise hat der Mann seinen Kumpels noch wenige Stunden vor seinem Ableben die Passwörter für seinen Rechner genannt. Dort hatte er schon zahlreiche Riffs und Songs für das nächste Album gesammelt und aufgenommen, die seine Kollegen zu einem weiteren Album vollenden sollten.
So weit der letzte Wille eines Vollblutmusikers. Die Umsetzung dieses Vermächtnisses halten wir nun mit "Katorz" in den Händen. Wer auch nur einen Hauch Französisch versteht, wird wissen, dass es sich hierbei wohl um das 14. Album der Band handelt, aber womöglich nicht um das letzte. Immerhin liegen auf Piggys Rechner anscheinend noch genügend Gitarrenspuren für zwei weitere Scheiben. Man darf also weiterhin gespannt sein.
Was uns Piggy hier quasi aus dem Grab präsentiert, ist Voivod in Reinkultur, und man hätte es der Band nie verziehen, wären diese Songs nicht veröffentlicht worden. Im Gegensatz zu "Voivod" erschließt sich "Katorz" in den Grundzügen schon nach den ersten Durchläufen. Bereits beim Opener "The Getaway" fühlt man sich eher an Sachen wie "Nothingface" erinnert, auch wenn Snake mit einer sehr rauen Stimme zur Sache geht.
Die Riffs sind vordergründig simpel und monoton, und man könnte schon fast von The Strokes oder The Used auf härteren Gitarren sprechen. Wer da aber von wem die Einflüsse geklaut hat, sollte klar sein. Schließlich verwenden die Kanadier Akkorde und Tonfolgen, von denen sowohl die Schläge als auch die Benutzten noch nie gehört haben werden. Von der Fähigkeit sie zu spielen, will ich gar nicht erst reden.
"DogNation" beginnt ein wenig spooky und zähflüssig. Wirklich einfach machen es uns Voivod natürlich nicht, und es bedarf schon ein wenig Zeit und Aufwand, um sich in den Song einzuhören. Genauso rau und roh wie Snakes Stimme präsentieren sich auch die Stücke auf "Katorz", und es vergeht eigentlich kaum eine Sekunde Spielzeit, in der die Band nicht zeigt, wie andersartig sie schon immer war und noch ist.
Seien es die seltsamen Intros zu "After All" oder "No Angel", die jedem trashigen Alien-Movie aus den 50er/60er Jahren zur Ehre gereicht hätten, oder die meist schrägen, offen Akkorde, die das Album dominieren. Auch wenn es bei den ersten Durchläufen den Eindruck macht, als gehe man mit Melodien eher sparsam um, so täuscht das doch gewaltig. So erwische ich mich immer wieder dabei, den Chorus von "Odds & Frauds" oder eben "No Angel" vor mich hinzusummen.
Sogar ein gewisses Potenzial für eine Single möchte ich Songs wie "Red My Mind" oder "The X-Stream" zusprechen. Vor allem letzterer hat einen enormen Drive und sollte unbedingt gehört werden, wenn man irgendwann in der Zukunft mal mit Lichtgeschwindigkeit durch's Weltall rast. Dort würde es mich dann auch nicht wundern, wenn man irgendwo auf einmal auf den reinkarnierten Piggy trifft. Rock'n'Roll lives forever, dude.
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