laut.de-Kritik

Ausblick auf die Apokalypse: Wir werden alle sterben.

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Nach der Auffassung des Mood Managements illustriert Dur-getränkte Bumsmusik im 4/4-Takt das unverstellte Glücksgefühl. Zu einer ambivalenten und apokalyptischen Stimmung passt die Musik der kanadischen Krach-Künstler Voivod aber am besten.

Krach und Kunst gehen bei dem Quartett Hand in Hand. Es gibt wohl kaum eine Band, die mehr Dissonanzen in ihre Akkorde streut als die seit 1984 aktive Formation. Wo im Metal-Zirkus nach ein paar Powerchords und angeberischen Griffbrett-Flitzereien alles bereits erzählt ist, gehen Voivod wesentlich vielseitiger zu Werke. Hier dominieren als Soli getarnte Riffs, schräge Voicings und hochfrequente Akkordbrechungen, dass die Ohren schlackern. Der Erfinder der Zwölfton-Musik Arnold Schönberg hätte an dieser Art seine helle Freude.

Häufig ist im Blabla-Promosprech von der Essenz des Schaffens die Rede. Bei Voivod treffen die supermassiven Superlative hingegen ins schwarze Loch. Ungehobelte Aufbruchstimmung trifft auf metallische Energie. Jazzige Harmonien, industrial-Sounds und ein artrockiger Anstrich ergeben die Hintergrundstrahlung mit Langzeitwirkung, die dem Urknall folgt.

Spiegelte der Vogänger "The Wake" die progressive Perspektive von Alben wie "Nothingface" und "The Outer Limits" wider, regieren auf "Synchro Anarchy" nun wieder kompakte Knalleffekte der Marke "Dimension Hatröss". Das Ende der Fahnenstange hatte das Quartett mit der EP "The End Of Dormancy" erreicht, das als mit Brass-Sektion aufgepeppte Version genial ausgefallen ist. Die Konsequenz daraus ziehen Away, Snake und Co. in der Reduktion und Zurückführung auf die Kernkompetenz als vierköpfiges Kollektiv. Das schlichte, schwarz-weiß gehaltene Artwork unterstreicht diesen Ansatz.

"Sleeves Off" zertrümmert in fast schon straighter Manier das Hörzentrum. "Holographic Thinking" ist gespickt mit klassischen Metal-Riffs, die jedoch durch Walking Bass-Parts und zahlreichen Dissonanzen unterlaufen werden. Der Melodiefaktor dieser Nummer ist zudem extrem hoch. Es gibt neben dem Solo zwei Gesangsparts, die sich regelrecht in das Gedächtnis fräsen.

"The World Today" reicht als Titel im Prinzip aus, um die musikalische Umsetzung anzuteasern. Man nehme widerstrebende Emotionen, Konfrontation statt Kooperation, tiefe gesellschaftliche Klüfte und gebe ihnen ein akustisches Antlitz. Voilà: viel Spaß beim Ausblick auf die Apokalypse.

Im Opener "Paranormalium" sind alle Instrumente sowie die Stimme kontrapunktisch verflochten und kreiseln in einer Art Abwärtsspirale dem unharmonischen Ende entgegen. Der Titelsong markiert die inoffizielle Internationale des Hasses, schaukelt sich auf durch das anarchistische Hauen und Stechen der Instrumente und gipfelt in einem floydigen Zwischenteil, der den Hörer in den Orbit schießt.

Pendelnde Basstöne sowie Chewys Kreissägen-Voicings läuten "Planet Eaters" an, der die Heuschrecken-Mentalität des Menschen zum Thema hat. Nach getaner Arbeit und verbrannter Erde bleibt nur die Flucht auf den nächsten Himmelskörper, um dort das schaurige Schauspiel zu wiederholen.

"Mind Clock" lebt vom Kontrast zwischen Doom und Thrash und erinnert mit der schroffen Produktion an King Gizzard & The Lizard Wizards "Infest The Rats' Nest", das wiederum erheblich von Voivods frühen Taten profitiert hat.

"Quest For Nothing" zeichnet das dispergierte Gitarrenspiel aus und mündet in der zweiten Hälfte in einen Morricone- meets Metal-Teil, der beschwingt den Weltuntergang ansteuert. "Memory Failure" stellt einen Drift in die Frühphase dar, garniert mit Soli der Marke Alex Skolnik und einigen wuchtigen Doublebass-Passagen von Drummer Away.

Das leicht abgewandelte Sprichwort 'Öre wem Öre gebührt' stimmt heutzutage nur bedingt. Meist scheißt der Teufel auf den größten Haufen und die Propheten werden mittellos vom Hof gejagt. Auch wenn die Kanadier kommerziell nie auf den goldenen Zweig geraten sind, ist ihr Einfluss auf die Prog-Tech-Thrash-Szene unbestritten: ein Kritikerliebling und Insidertipp, mehr hingegen nicht.

Vielleicht benötigt es die aktuellen Krisen um Klima und Corona, um in der Wahrnehmung nach oben gespült zu werden. Voivod sind nicht laut, Voivod sind nicht lauter, Voivod sind Lauterbach. Wie der oberste Gesundheitsschützer verkörpern sie These und Antithese zugleich, ergehen sich in Endzeitvisionen und haben am Ende recht: wir werden alle sterben.

Trackliste

  1. 1. Paranormalium
  2. 2. Synchro Anarchy
  3. 3. Planet Eaters
  4. 4. Mind Clock
  5. 5. Sleeves Off
  6. 6. Holographic Thinking
  7. 7. The World Today
  8. 8. Quest for Nothing
  9. 9. Memory Failure

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