laut.de-Kritik
Ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Review von Alexander Austel"Die erste Single 'Bad' zeigt ziemlich genau die Richtung, die ich für dieses Projekt einschlagen will." Mit dieser Ansage wirbt Wale für sein drittes Album "The Gifted". Tatsächlich wäre der Sommer-Strand-Caipi-Song "Sunshine" mit integrierter guter Laune und verträumten Piano-Klängen eine repräsentablere Wahl gewesen. "I fucked the game and came out a gold rapper." Ja, man darf ja mal träumen.
"Du schließt die Augen, drehst den Sound in den Kopfhörern auf und fühlst es einfach", verspricht er dem Breakfast Club. Im Falle des sehr sanft produzierten, mit Claps und Gitarre verfeinerten Sam Dew-Beats in "LoveHate Thing" unterstreiche ich das anstandslos. Ein schönes Stück. Dem gegenüber stehen leider immer wieder grobe Schnitzer. "Tired Of Dreaming" zum Beispiel läuft mit "Rotation" in der Filler-Schublade auf Hochtouren.
Im amerikanischen Rap-Zirkel gibt Wale immer wieder eine gern beschossene Zielscheibe für Kritik. Er verteidigt sich stets gegen den Vorwurf, nur ein größerer Fisch im Hype-Aquarium zu sein, statt Realness-Wellness zu machen. Und dann auch noch dieser Pop-Rap! Raop, quasi. Jenen, die ihm schlecht gesonnen sind, erklärt Wale "The Curse Of The Gifted". Ein dumpfer Bass ummantelt verträumte Piano-Klänge, und der Mann am Mic wettert gegen seine Neider.
Richtig Spannung kommt jedoch erst später auf. Zum Beispiel bei "Golden Salvation (Jesus Piece)": Mit etwas Bombast samt Frauenchor im Beat und dem erhobenen Zeigefinger in der Stimme predigt Wale aus der Sicht eines Jesus-Anhängers und stellt fest: "Jesus piece, Jesus piece, Jesus piece / But don't nobody want know Jesus peace." Der durchdachte Song beleuchtet das schwierige Thema Religion von einem anderen Blickwinkel aus.
"Große Lieder schreiben wollt' ich immer, nur passte nie der Klang meiner Stimme", rappt Casper mit einer Schlaftabletten-Überdosis Selbstunterschätzung. Auf Wale bezogen passen diese Zeilen wie Rick Ross ohne Geld in einen Rolex-Laden. Das Talent, das der Washington-MC mitbringt, münzt er weder in richtige Hits um, noch in Street-Banger oder Club-Nummern. Er sitzt zwischen den Stühlen, schwimmt von einem zum anderen Hafen und zieht dabei Kreise. Doch da brauchte es schon eine größere Schiffsschraube, um richtig hohe Wellen zu schlagen.
Ausnahmen bestätigen die Regel: "Clappers" fordert zum Bouncen auf, musikalisch berechtigt, wohl gemerkt. Eine Nummer, die der DJ durchaus Jay Zs "FuckWithMeYouKnowIGotIt" vorziehen würde, um "the fattest ass" und "the perfect tits" in Wallungen zu bringen. Du drehst die Regler besser auf zehn und nimmst dir Juicy Js Rat zu Herzen: "Make that ass clap, I don't care about that cellulite." Besser ist das, denn an Mitstreiterin Nicki Minaj verbrennt man sich ohnehin nur die Finger. "This ass on fire, evacuate / Throw that ass in the air, evaporate / Where your money little bitch? Evaluate / If you got big money elaborate / I'mma shake this ass 'till I graduate."
Weiche Gitarren-Klänge zupfen und Trompeten in der Hook blasen in "Gullible" zum Angriff gegen den Einfluss der Medien und den Umgang mit deinem heiß geliebten multifunktionalen Telefon. "What if they told you the iPhone was tapped? / They see all of your browsin' and know you via your apps." Merke: "TV killed the radio /
And then the internet slit the television throat."
Der "Simple Man" ("All I want is money, fuck the fame") produziert auch selbst, und das trappig, laid back, fett. Der Beat schleicht durch dicht gepackte, pumpende Nebelschwaden, die ein Durchrappen extrem verlangsamen. Mit Vielseitigkeit versucht Wale den Hörer auf seine Seite zu ziehen. Das funktioniert streckenweise, jedoch nicht über die gesamte Spielzeit von 70 Minuten. "The Gifted" macht einen großen Schritt in die richtige Richtung, doch das Prädikat 'Durchschnitts-Rapper' passt leider nach wie vor.
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