laut.de-Kritik
Walter Schreifels scheint die Sonne aus dem Arsch.
Review von Mathias MöllerGestern abend sah ich eine alte Folge von "Friends", in der Ross zu Chandler und Joey sagt, er wäre jetzt in einem Alter, wo er - anstatt zu feiern - gerne mal zu Hause bleiben würde, um bei Kenny-G-Beschallung ein Schaumbad zu nehmen. (Studiolacher) Ganz ähnlich geht es so langsam wohl Walter Schreifels. Er ist jenseits der Dreißigermitte, hat in mindestens zwei richtungsweisenden Bands gespielt, verdammt, er hat als Minderjähriger eine der wichtigsten Hardcore-Bands gegründet.
Vor ein paar Wochen spielte Walter eine Reihe von Konzerten, unplugged und vollständig solo. An jenem Abend standen bei leiser Musik volltätowierte Hardcore-Veteranen mit verschränkten Armen vor der Bühne, Walter drauf und er ließ seinen Charme spielen. Erste Skepsis, ob das denn überhaupt funktionieren könne, die alten Hits ohne Strom, und ob die neuen von diesem Walking-Concert-Projekt überhaupt etwas taugten, waren nach zwei Liedern weggeblasen. Alles taugte jedem, die Recken von gestern warfen ihre Hände in die Luft und grölten mit, was das Zeug hielt. Und auf der flachen Bühne dieser bärtige Mann mit dem verblichenen Fonz-T-Shirt. In der Sechziger-Jahre-Serie "Happy Days" war Fonz der Coolste, hier und heute war es Walter. Dieser Abend hat aber auch gezeigt: Walter ist gesetzter geworden mit dem neuen Zeug, und die Sonne scheint ihm dabei aus dem Arsch.
Dies bestätigt sich auf dem Album von Walking Concert. Der Opener klingt so nach Sonne, wie kalifornischer Orangensaft danach schmeckt. Mit "What's Your New Thing?", der bei Walter sicher berechtigten Frage, meißelt er dem Hörer ein breites Grinsen ins Gesicht, das so schnell nicht vergeht, auch wenn er mit "Aluminium" den Fuß erstmal wieder vom Pedal nimmt. Das erinnert schon ein wenig an die leiseren Songs von Rival Schools, Walters letztem Projekt. Überhaupt scheint es so, als spielte Walking Concert nur den weiterentwickelten, reiferen, gealterten Sound von Rival Schools, die leider nach nur einer Platte schon wieder begraben wurden.
Müsste man für Walking Concert ein Genre erfinden, ich würde es, gerade auch im Hinblick an das Bewegung einfordernde "But You Know ... It's True", Half-Acoustic Pogo Power-Pop nennen. Die Gitarren sind leicht, wie akustische Gitarren halt klingen, wenn man sie ein wenig beansprucht. Mitunter klingt das folkig ("A Lot To Expect"), dann schon wieder irgendwie beatlesque wie beim Titeltrack "Run To Be Born". Zwischendurch lassen sie es beispielsweise mit "Studio Space" oder "Mustang Ford" (eine Coverversion der Band John's Children) immer wieder mal ein bisschen krachen, aber nicht pubertär rockend, sondern abgeklärt erwachsen. Kontrolliert, aber immer noch typisch Schreifels.
Das Album gipfelt in "The Animals", ohne Zweifel der stärkste Song unter den vierzehn. Wenn Walter für dich singt, brauchst du keine Angst zu haben. Nach der Enttäuschung, dass Rival Schools so schnell wieder eingemacht wurde, ist "Run To Be Born" wirklich eine gute Entschädigung. Walter zeigt, dass er noch einiges auf dem Kasten hat, und zwar auch jenseits von Stromgitarren und Parolen. Hat er vorher wichtige Songs geschrieben, schreibt er jetzt einfach nur schöne Stücke. Walking Concert bleiben uns hoffentlich ein wenig länger erhalten als die rivalisiernden Schulen, die nur einmal vom Schicksal vereint wurden.
Noch keine Kommentare