laut.de-Kritik

Das Altbekannte neu verpackt.

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Wallows sind zurück, und das mit größeren Ambitionen als je zuvor. Nicht nur, dass sie auf ihrer kommenden Tour mit Arenen wie dem Madison Square Garden oder dem Alexandra Palace legendäre Spielstätten ansteuern, auch schrieb die Band erstmals weitaus mehr Songs, als sie am Ende auf ihr drittes Album "Model" packen konnte. Während alles im ersten Moment größer und umfangreicher erscheint, ist es jedoch ausgerechnet das zugrundeliegende musikalische Fundament, das sich diesem Trend widersetzt.

Nachdem Dylan Minnette, Braeden Lemasters und Cole Preston auf ihrer letzten Platte "Tell Me That It's Over" zusammen mit Produzent Ariel Rechtshaid einige dezente Genreausbrüche gewagt hatten, geht es mit "Model" nun kompromisslos zurück zu den Indie-Pop-Wurzeln. Nicht nur in Persona von Produzent John Congleton, der maßgeblich für die analoge, warme Klangidentität ihres Debütalbums "Nothing Happens" verantwortlich war, sondern zugleich auch mit dem Sound, den er einst geprägt hat. "Model" entpuppt sich somit bereits nach den ersten Klängen als purer, anfänglicher, nostalgischer Throwback.

Dass Wallows nun wieder eine nahezu identische Ausrichtung wie auf ihrer ersten LP präsentieren, ist dabei positiv wie negativ, je nach gewählter Perspektive. Wer vorher noch kein Fan des Trios war, wird mit "Model" durch die wenigen distinkten Elemente wohl auch kaum abgeholt werden. Wallows-Sympathisant*innen der ersten Stunde sollten bei Tracks wie dem an die "Spring EP" erinnernden "You (Show Me Where My Days Went)" oder dem pianolastigen "Bad Dream" wiederum voll auf ihre Kosten kommen, da die Band keine Notwendigkeit darin sieht, ihre Komfortzone zu verlassen.

Dazu gehört auch, Herzschmerz und zwischenmenschliche Beziehungen zu verarbeiten. Was sich in der Anfangssequenz vom intensiven "Your Apartment" über das pop-rockige "Anytime, Always" bis hin zum etwas softeren und verspielteren auf "Calling After Me" bereits abzeichnet, verstärkt sich im weiteren Verlauf des Albums nur noch weiter. Im Zentrum stehen einmal mehr Gedanken, die ausgiebig um (gescheiterte) Partnerschaften und damit verbundene Gefühle und Erfahrungen jeglicher Art kreisen. Auch wenn viele der Songs somit einen stagnierenden Charakter mit Blick auf die Entwicklung der Gruppe aufweisen und wohl kaum genügend Substanz beinhalten, um sich langfristig einen Platz im Gehirnabschnitt für grandiose musikalische Werke zu sichern, ist ihnen ihre kurzweilige und unkomplizierte Eingängigkeit nicht abzusprechen.

Außerdem haben Wallows noch immer einen Trumpf in der Hinterhand, den nicht jeder Act aufweisen kann: Ihre stimmliche Vielfalt durch das Gesangstalent aller Mitglieder. Erneut sind es Minnette und Lemasters, die als Leadsänger die gesanglichen Verpflichtungen unter sich aufteilen oder wie auf "A Warning" im Duett ans Mikro treten und dadurch eine Prise an Unberechenbarkeit mitbringen. Gerade ein Song wie "Bad Dream", der abseits seines hypnotischen Vibes zunächst wenig zu bieten hat, liefert so durch Lemasters Gesang und Songwriting nach zuvor drei Songs aus der Feder von Minnette doch noch eine gewisse Frische. Dasselbe gilt für das reduzierte "I Wouldn't Mind", als erstmals seit der alleinstehenden 2021er Single "Quarterback" Drummer Preston plötzlich wieder mit einem von ihm angeführten Track am Mikrofon zu hören ist.

Zudem überzeugt "Model" dann noch einmal im Zieleinlauf. Angefangen mit dem bombastischen "Going Under", das sich getragen von verspielten Old-School-Synths, schallenden Drums und einer immer exzessiver werdenden Vocal-Performance von Lemasters als spätes Highlight herausstellt. Der Closer "Only Ecstasy" fungiert dahingehend zwar konventioneller, profitiert jedoch als mit Abstand längster Song davon, dass sich Minnette und Co. erstmals viel Zeit nehmen, um ein kontinuierlich intensiver werdendes Klangbild zu erzeugen, das eine rundum gelungene Symbiose aus leidenschaftlichem Gesang, losgelösten Gitarrenparts und energetischen Drums erzeugt.

Auch wenn es der Band davor nur vereinzelt eine ähnlich hohe Qualität hervorbringen, punkten Wallows über die gesamte Bandbreite ihres dritten Albums aber einmal mehr mit ihrer Authentizität. Ohne den etwas facettenreicheren und vielfältigeren Ansatz, den sie auf "Tell Me That It's Over" verfolgt hatten, ist "Model" ein Projekt, das mit Blick auf die Historie des Trios und die derzeitige Musikwelt nicht viel Neues zu bieten hat, sich dafür aber auf seine Stärken beruht und so das Altbekannte für Fans von schnörkellosem Indie-Pop losgelöst, kurzweilig und souverän neu verpackt.

Trackliste

  1. 1. Your Apartment
  2. 2. Anytime, Always
  3. 3. Calling After Me
  4. 4. Bad Dream
  5. 5. A Warning
  6. 6. I Wouldn't Mind
  7. 7. You (Show Me Where My Days Went)
  8. 8. Canada
  9. 9. Don't You Think It's Strange?
  10. 10. She's An Actress
  11. 11. Going Under
  12. 12. Only Ecstasy

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