laut.de-Kritik
Wie wohltuende Medizin in Zeiten der gesellschaftlichen Spaltung.
Review von Michael SchuhEin Bussi zum Abschied, ciao ciao baby. Man sah Wanda bei "Schlag den Star" und im Vorprogramm der Toten Hosen, und es ist ja auch klar, wir sprechen hier schließlich vom größten österreichischen Indie-Hype seit Naked Lunch, nur mit glücklichem Ausgang. Ich hatte mich trotzdem schon vor dem Album "Niente" von der Band entfernt. Irgendwann wurde es einfach zu viel: Der spektakulär unspektakuläre Schrammelrock, Wandas Markenzeichen, driftete gefährlich in eine volkstümelige Bräsigkeit hinüber, und dann Sänger Marco Michael, noch ein Wanda-Markenzeichen, mit seinen immer neuen Abzählreimen und immer ausladenderen Erlöserposen auf der Bühne.
Dann sieht man die Landtagswahlergebnisse von Sachsen und Brandenburg und man spürt die stetig zunehmende Spaltung der deutschen Gesellschaft, das Misstrauen, das Zerfallen politischer Sicherheiten und den kalten Hass der Filterblasen. Beim Hören von "Ciao!" überkommen mich diese Gedanken, natürlich vor allem, weil dieser Marco Michael so eine elend gute Predigergestalt ist, die für das komplette Gegenteil steht. Mehr Amore wagen. Eine zeitlose Message, wenn auch kaum dringender benötigt als 2019.
Gleichzeitig ließ sich die hässliche Realität mit Wanda auch immer perfekt ausblenden. Aufdrehen, Kaputtsein, Party, Schweiß, Qualm, Alkoholdunst und Harndrang: Alles, das ihr Überdebüt in uns auslöste, fühlt man streckenweise auch auf "Ciao!" Wanda-Musik war schon immer Aufbruch, die Message muss schnell vermittelt werden, nicht zu kompliziert, damit keiner außen vor gelassen wird, Teenager, Studenten, Turnbeutelträger, Österreich-Touristen in Funktionskleidung und musikalisch indifferente Hobby-Trinker.
Das gedehnte Lead-Riff von "Ciao Baby", so simpel wie effektiv, ein Gefühl wie Nach-Hause-Kommen. Der Refrain inklusive des im Rock'n'Roll wirklich millionenfach gehörten Drum-Auftakts, alles gerade so ein bisschen schweißig gespielt, wie man es zum enthemmten Mitgrölen eben braucht. Und was uns Marco da textlich wieder in dieser beneidenswerten Leckt-mich-Lässigkeit unterjubelt: "Manchmal tut's so weh wie ciao ciao baby." Wäre da jetzt mein Kind der Urheber gewesen, hätte ich ja nachsichtig gelächelt. Wie sagte Stefanie Sargnagel in der SZ 2015: "Wanda repräsentieren die wilden Jungs, mit denen Musikjournalisten Mitte vierzig, die mittlerweile brav ihre Kreditraten überweisen, bevor sie Paul in die Waldorfschule bringen, gerne einen heben würden." Das kann ich schwer abstreiten, bis auf das mit dem Kredit erkenne ich mich in diesem Satz vollständig wieder.
Älter werden wir alle, sogar Wanda. "Ciao!" klingt erfreulicherweise abgeklärter und experimentierfreudiger. Textlich feiert Marco weiter den Augenblick, bleibt aber seiner ambivalenten Uneindeutigkeit treu, was ihn so angenehm abhebt von affirmativen Holzschnitt-Phrasenmaschinen wie Unheilig. Dann lieber in jedem Lied "Baby" ertragen, auch wenn es sich gar nicht reimt ("Ihr zwei habt's ein Kind / und ich weiß nicht wo ich bin, Baby / Ich hab so viel Geld, Schatzi / reise um die Welt, Baby").
Die Konsumkritik "Nach Hause Gehen" inklusive Mark-Ronson-mäßigem Produktions-Feinschliff ist sicher der weiteste Schritt weg vom eigenen Sound und der tanzbarste Song ihrer Diskografie. Bassist Reinhold Weber entdeckt den Funk, Keyboarder Christian Hummer nimmt sich zugunsten der Atmosphäre zurück und Marco prescht als Scatman vorneweg, bis auch jeder ahnt, wie schön seine Welt ohne Smartphone sein muss. Auch einen Song wie "Vielleicht" gab es bisher nicht, feinste britische Pop-Traditionslehre Beatles/Kinks'scher Prägung.
Für Marco indes ist und bleibt sein Leben "Ein Komischer Traum". Er wirkt wie ein Typ, der wirklich ständig reflektiert und alles hinterfragt. Wenn er mal seinen Namen googelt, wie er uns im Interview erzählt hat, legt er zwei Jahre alte Aussagen von sich noch einmal auf den Prüfstand. Um dann wahrscheinlich, wie im besagten Song, zu dem Schluss zu kommen: "Alles war so anders, nur ich war genau wie vorher auch."
Die Beatles mochten Wanda zweifellos schon immer, aber während sie früher dann oft in Crowded-House-Schunkeleien verfielen, spielt Manuel Poppe zu Beginn von "Der Erste Der Aufwacht" gleich mal deren "In My Life" nach. So als Statement, damit alle schon vorgewarnt sind, bevor er in "Gerda Rogers" dann "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" reloaded. Mehr davon, es passt nämlich erstaunlich gut, die Gitarren glühen heavy, it's wonderful to be here, it's certainly a thrill. Schon zuvor begeistert "Swing Shit Slide Show" mit sehr ausgefeiltem Songwriting und tollem Harmoniegesang.
Am Ende dankt man sogar noch Domian für seine Arbeit an der Menschlichkeit, wenn man das so interpretieren mag. Die Telefonnummer des Studios im Refrain mitgrölen, für Marco die leichteste Übung: "0800/2205050". Und so ist "Ciao!" eher nicht als Abschiedsgruß der Band zu verstehen, auch wenn sich Marco in mehr als einem Song die Kinder der Bekannten ansieht und für sich selbst das Bild des getriebenen Rocksongwriters weiter schreibt: "Für wen mach ich das / für wen und zu wem oder was?" Allzu lange halten ihn diese Grübeleien offenbar nicht vom Sinn seines Lebens ab: "S.O.S. und immer wieder aufstehen, S.O.S. und immer wieder rausgehen." Von den "100 bis 200 Songs", die Marco Michael Wanda für ein Album schreibt, sind jedenfalls die 14 richtigen aufs Album gekommen.
11 Kommentare mit 2 Antworten
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Freut mich obwohl noch nicht gehört, nach dem die letzte Scheibe echter Mist war, das es mit Wanda wieder aufwärts geht. Und da Schuh es sich bequem gemacht hat mit der Rezi, gehe ich mal von aus das diese echten Wert hat.
Rezi ist klasse geschrieben! Kompliment an den Autor. Besser kann man Wanda nicht beschreiben und obwohl auch ich mich schon gedanklich verabschiedet hatte, muss ich hier definitiv reinhören.
typische band für komische blicke vom langhaariger bombenleger indie experten in der wg küche. feier ich trotzdem (oder gerade deshalb). ein letztes wienerlied in der lvie version auf der zwoten seite sit jawohl mal amtlicher hammer.
UKK = Unerträglichste Kommerz-Kacke, die so richtig weh tut! Beliebig und austauschbar ... -50/5 für ein letztes Wienerlied.
Dann muss aber auch mal Ruhe sein ...
Ich habe Wanda bisher nie besonders gemocht, beim Opener dachte ich noch, okay, Tote Hosen meets Andreas Gabalier meets Sportfreunde Stiller.
Aber nach „Vielleicht“ und „Gerda Rogers“ musste ich dann feststellen: Es sind die österreichischen Beatles!