laut.de-Kritik
Über Roadtrips und Ernüchterung.
Review von Yannik Gölz"Saint Cloud" von Waxahatchee webt die besten Facetten von klassischem Americana-Songwriting in die Realität der Gegenwart. Austragungsort ihrer Abhandlungen über talentierte Kids an hoffnungslosen Orten bleiben auf dem vierten Album suburbane Vorstädte ohne Namen und Versprechen, ihre Melodien und Gitarren-Twangs nimmt sie aus der Farbpalette zwischen Dolly Parton und Leonard Cohen. Könnte man inhaltlich bei so viel Throwback freie Liebe und Richard Nixon erwarten, verbergen sich im nostalgischen Sound aber Themen von moderner Weiblichkeit bis zur Opiat-Krise.
Waxahatchee erzählt eine Geschichte darüber, seit nun zwei Jahren nüchtern zu sein. Von Entfremdungen in der weiten Welt zu den Gräbern von Freunden in zurückgelassenen Niemandsländern führen die abstrakten Schilderungen. Der Opener "Oxbow" sei in einem spanischen Hotelzimmer entstanden und meditiert auf einem tiefenentspannten Indie-Loop über die Versprechen der Drogen: "Well, I'll give it all to you for a while, that's fine / A speck in the oxbow, depressing by design/".
Dabei klingt die Platte auch zu den depressivsten Themen schillernd. "Saint Cloud" ist Road-Trip-Musik. Songs wie das manische "Hell" oder das fiebrig enthusiastische "Witches" evozieren Bilder von kilometerweiten Landstraßen durch amerikanisches Hinterland, passen zum Albumcover und schaffen eine unklischeehafte, bauchgefühlige Lagerfeuerromantik. Ein bisschen wie Big Thiefs "U.F.O.F.", ein bisschen wie Lucinda Williams. "Depressing by design" trifft es perfekt: Oft kontrastiert Waxahatchee die deprimierende Natur der Dinge mit der irritierend unerschütterlichen Schönheit der Welt. Sei es durch Schilderung von ruralen Naturschauspielen oder Orten, die in ihren Berichten die Behaglichkeit alter amerikanischer Romane annehmen, egal, wie tief die Abgründe der Kleinstadt sein können.
Das macht die Balladen auf "Saint Cloud" um so eindringlicher. "Lilacs" wälzt sich im menschlichen Ausgeliefertsein gegenüber der Zeit, malt Bilder von Fliederbüschen, die vor den Augen der Protagonisten erblühen und verwelken, während das Wasser jeden Tag in ihnen versickert und versickert. Prosaischer muten Nummern wie "Fire" oder die Schlusstracks "Ruby Falls" und "Saint Cloud" an. Die zuvor lebendigen Hooks und Bridges fallen fast ganz weg, Strophe über Strophe hebt Waxahatchee den Hörer in die Bitternis des zeitgenössischen Amerikas.
"Ruby Falls" bietet eine erzählerische Sternstunde: Schon auf "Cerulian Salt" hat sich Waxahatchee mit dem Tod eines Freundes durch eine Überdosis auseinandergesetzt. Dieser Song beschreibt das Wachstum ihres Umgangs, ihrer Perspektive. Die erste Episode zitiert nostalgisch die Euphorie der gemeinsamen Zeit, die zweite kehrt kurz in die Erschütterung seines Sterbens zurück und die dritte Episode zeichnet ein eindringliches, versöhnliches Abschließen mit den Ereignissen. "And when the picture fades the years will make us calm / I'll sing a song at your funeral / [...] You know you got a friend in me / I'm an angler married to the sea/"
Waxahatchee schafft auf "Saint Cloud", was guter Indie bestenfalls vermag. Trotz rudimentärer Kompositionen und wenig zeitgemäßer Sound-Experimentation klingt sie frisch, gesammelt und emotional präzise. Das Album klingt euphorisch, wenn es euphorisch sein will, niedergeschlagen, wenn es sich in Melancholie suhlt und fließt so reibungslos davon wie die Flüsse durch die Städte, die es besingt. Waxahatchee ist eine traditionelle Songwriterin, ohne ein Traditionalistin zu sein. "Saint Cloud" beschreibt die moderne Welt, öffnet sich deren dunkelsten Facetten und trägt dennoch eine Spur von Hoffnung und Frieden in sich.
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