laut.de-Kritik
Klingt weniger abgefahren als es der Albumtitel vermuten lässt.
Review von Andrea TopinkaViel geändert hat sich am Konzept von We Invented Paris auf "Rocket Spaceship Thing", Album Nummer zwei des Künstler-Kollektivs, nicht. Der bunt gemischte Kreativhaufen - Multiinstrumentalisten, Fotografen, Designern und sonstigen Künstlern - um den Baseler Flavian Graber, der vor allem durch Aktionen wie beispielsweise eine Couchsurfing-Tour quer durch Europa bekannt wurde, lebt nach wie vor ganz im DIY-Geiste.
Das Geld für die aktuellen Aufnahmen kam per Crowdfunding zusammen: Nach erfolgreicher Kampagne spielten sie die Platte in Eigenregie innerhalb weniger Wochen in einem Dresdner Schloss ein. Und sie erscheint natürlich auf Spectacular Spectacular, dem eigenen Label.
Musikalisch bleiben sich We Invented Paris ebenfalls treu. Verträumter Indie-Pop, leichter Folk und sanfte Elektronik vereinen sich zu einem homogenen Gesamtbild aus Balladen, Midtempo-Stücken und ein paar flotteren Nummern. Dabei steckt man ein Referenzfeld von den Editors über Abby bis hin zu The Fray oder Sunrise Avenue ab, wobei Assoziationen mit den erfolgreichen Finnen hauptsächlich auf Ähnlichkeiten im Gesang beruhen. Zumindest meistens.
"Rocket Spaceship Thing" klingt bei weitem nicht so abgefahren oder innovativ wie Albumtitel und Bandname es vielleicht vermuten lassen. Stattdessen pendeln sich We Invented Paris auf einem mittleren Niveau ein. Die meisten Songs fallen in die Kategorie klassischer Indie-Folk-Pop mit ein bisschen Gitarre, Keyboard und gängigen Electronics. Das tut keinem weh.
Der gemächliche Opener "Mont Blanc" bietet einen solchen Spannungsbogen: Die Strophen begleiten zurückhaltende Gitarre und etwas Schlagzeug, im Refrain gesellt sich Keyboard dazu, kurzes Aufbrausen, Ende. Auch der hektische Gitarren-Keyboard-Gassenhauer "Polar Bears" reicht kaum über das Indie-Pop-Grundrepertoire hinaus. Spaß machts trotzdem und einen etwas seltsamen Ohrwurm mit einer Mischung aus tanzenden Eisbären und Liebeserklärung kriegt man obendrauf.
Höhe- und Tiefpunkte halten sich irgendwo die Waage: Während der melancholische "Sleeptalker" recht schlicht instrumentiert eine hypnotische Wirkung entfalten kann, verläuft sich "Farmer" bedauerlicherweise zu sehr mit einem schwammigen Gitarrensolo und surrender Elektronik in der eigenen Bedeutungsschwere. Während "Auguste Piccard" mit knackigem Schlagzeug voller Abenteuerlust nach vorne schießt, verkümmert "Philosopher" trotz Handclaps und verspielter Gitarre musikalisch und textlich an seiner Banalität ("I need to find a way back to your heart, 'cause there is so much more to live for / Take my hand, lose control, sing your song, dance all night long / When the morning comes, we'll do it all again").
Ein überragendes Album haben We Invented Paris mit "Rocket Spaceship Thing" nicht gerade eingespielt. Auf dem richtigen Weg sind sie dennoch. Und gerade weil sich hier so viele kreative Köpfe versammelt haben und austoben, ist diese Platte sicher nicht das Letzte, was man von dem Kollektiv hören wird.
1 Kommentar
Die Sunrise Avenue-Referenz verbiete ich mir!
Ansonsten stimmt das aber schon alles. Gibt sehr schöne Momente (eben "Auguste Piccard"), aber auch einige Stolpersteinchen.