laut.de-Kritik
Mit Cello, Gitarre und Keyboard gegen die Depression.
Review von Giuliano BenassiEs dauert 1:40 Minuten lang, bis man merkt, dass es hier nicht um ein traditionelles Singer/Songwriter-Album geht. Bis dahin besteht der Opener aus einer gezupften Akustikgitarre und einer Stimme, die von einem Minnesänger stammen könnte. Dann setzt ein imposantes Streicherarrangement samt Falsetto ein, das überraschend in einen Percussion- und Keyboardpart übergeht, was verdächtig an "Sweet Dreams" von Eurythmics erinnert.
Wes Swing ist ausgebildeter Cellist und hat für das anspruchsvolle Musikprogramm des National Public Radio NPR gearbeitet. 2011 veröffentlichte er sein erstes Soloalbum. Dass es nun sechs Jahre gedauert hat, bis sein zweites auf den Markt kommt, hat mit unschönen Umständen zu tun.
Nach dem Umzug von Virginia nach San Francisco verletzt er sich so schwer am Handgelenk, dass er zunächst nicht mehr Cello spielen kann. Hinzu kommt eine schwere Depression, die ihn an den Rand der Verzweiflung bringt. Die vorliegende Platte entsteht 2014, nachdem sich Wes zu einer Therapie aufgerafft hat.
Um die Produktion kümmert sich Paul Curreri, der selbst wegen einer Handkrankheit das Gitarrespielen mehr oder weniger aufgeben musste. Im Hintergrund singt gelegentlich Curreris Frau Devon Sproule. Alle drei stammen dazu aus derselben Ortschaft, Charlottesville. Die Zusammenarbeit war also mehr als nur Arbeit: Eine hörbar intime Atmosphäre prägt das Album jenseits der musikalischen Umsetzung.
Die meisten Instrumente übernimmt Swing selbst. Mit einer eigenen Mischung aus Elektronik, Saiteninstrumenten, Percussions und Stimme erzeugt er eine Stimmung, die in einem träumerischen Niemandsland zu schweben scheint. Dichtem Nebel gleich, der die Sicht trübt. Man weiß zwar, dass weit oben die Sonne scheint, doch zu sehen ist sie nicht.
"And The Heart" ist ein Album, aus dem kein Stück hervorsticht, dafür führt es an einen besonderen Ort. Und der stellte sich für Wes rasch als ein besserer heraus, denn seine Depression hat er überwunden: Mittlerweile ist er wieder als Tourmusiker aktiv.
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