laut.de-Kritik
Epische Werkschau, eines Jubiläums würdig.
Review von Manuel BergerEin einziger, knapp 40-minütiger Song mit gesammeltem musikalischen Material aus dem letzten Vierteljahrhundert: Welche Band kann behaupten, solch ein Jubiläumsalbum geschaffen zu haben? While Heaven Wepts Pläne anlässlich ihres 25. Geburtstags lesen sich zumindest auf dem Papier sehr eindrucksvoll. Klingt es auch so?
Das klassisch instrumentierte "Introspectus" deutet jedenfalls darauf hin. Eine Knospe perfekt arrangierter Melancholie öffnet sich langsam und zaghaft und gebiert eine friedvolle Konzertgitarre. "Icarus And I" lässt aus der Knospe eine mächtige Pflanze sprießen, die sich verzweigt, aber zielgerichtet in den Himmel schraubt. Erhaben breitet sich zunächst Rain Irvings klares Organ über die epische Up-Tempo-Nummer. Der Aufstieg des Ikaros.
Abrupt setzt der unvermeidliche Fall ein. Aggressives Fauchen übersetzt die Tragödie in musikalische Parameter. Ein Zweikampf zwischen den beiden Vocalspuren entwickelt sich. Auf der einen Seite der besonnene Daidalos, der versucht seinen Sohn zu halten, aber zunehmend die Kontrolle verliert. Auf der anderen Ikaros, der beide unaufhaltsam in die Tiefe reißt.
Das Wehklagen des Vaters liefern While Heaven Wept mit "Ardor" gleich im Anschluss. Auch dieses Stück zeichnen stimmungsvolle Wechsel aus. Zu Beginn sanft und reduziert gehalten, explodieren im zweiten Teil die Gefühle in Form gigantischer Epik. Über allem gleitet Irvings Gesang dahin, der mit seiner symphonischen Kraft klar in den Mittelpunkt rückt. Manchmal artet das leider in ein wenig zu viel Pathos aus. Den gefürchteten Kitschabgrund umschifft die Band glücklicherweise, oft allerdings nur um Haaresbreite.
Ähnlich gestaltet sich "Heartburst". Vermutet man zunächst eine klassische Klavierballade, stoßen bald sphärische Akustikgitarren hinzu. Jetzt steigt auch Irving ein, und gemeinsam steuern Instrumenten- und Vokalfraktion auf ein getragenes Solo zu, das den Abschnitt zu einem hymnischen Ende führt.
Die elf Kapitel fügen sich hervorragend ineinander, so dass "Suspended At Aphelion" dem Versprechen einer einzigen, großen Komposition tatsächlich gerecht wird. Die Hauptarbeit dessen entstand wohl im Zeitraum zwischen 2011 und 2012, das rasante Instrumental "Indifference Turned Paralysis" basiert aber angeblich auf Material aus dem Jahr 1988, sprich: noch vor der offiziellen Bandgründung.
Dementsprechend variabel präsentieren sich While Heaven Wept auf "Suspended At Aphelion". Elemente aus jeder Epoche der progressiven Bandgeschichte finden sich in der Musik wieder. Von den eher düsteren, schweren Anfängen bis zu den deutlich freundlicheren Klängen auf "Fear Of Infinity". Um mit dem Meisterwerk "Vast Oceans Lachrymose" gleichzuziehen, hätte es insgesamt aber gerne etwas düsterer und roher zugehen dürfen.
Packend ist "Suspended At Aphelion" trotzdem, ohne Frage. Der Spannungsbogen funktioniert hervorragend. Während die erste Hälfte eher Ruhe ausstrahlt, nehmen While Heaven Wept auf ihrer Reise zum Aphel plötzlich merklich an Fahrt auf, je näher sie ihrem Ziel kommen, um schließlich die finale Erlösung zu empfangen. Schwebend, in den Tiefen des Weltraums verschollen, beschließt "Retrospectus" die Odyssee.
Euphorisiert, ein wenig erschlagen, ein bisschen wehmütig, aber vor allem innerlich ausgeglichen geht es zurück in die Realität. Das Ziel war, zum Jubiläum etwas Großes abzuliefern, im Idealfall eine Zusammenfassung des bisherigen Schaffens. Beides ist While Heaven Wept mit "Suspended At Aphelion" gelungen.
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