laut.de-Kritik
Alltagsbeobachtungen, immer bis zum Knie im Makabren.
Review von Matthias MantheAlso doch: Das Leben ist ein Ponyhof. Und der liegt ganz weit oben, gerade so über der Wolkengrenze. Das "Alopecia"-Cover zeigt es schließlich ganz deutlich: Farben, Hektik, Surrealismus, ein Rudel Vierbeiner in totaler Aufruhr, Symbolcharakter, Symbolcharakter!
Angeblich soll der Aufnahmeort Ursache sein für die Dringlichkeit, die das dritte Album noch mehr als den Vorgänger "Elephant Eyelash" treibt. Minneapolis im Mittleren Westen gilt als äußerst bildungsfreundlich, Kreative aus Schauspielerei, Gestaltender Kunst, Literatur und Musik fühlen sich von der Stadt magisch angezogen.
Wenn also Minnesotas Brain City und Why?-Kopf Yoni Wolf, seines Zeichen Mitbegründer des stets vorreitenden Kollektivs Anticon (=anti-conventional) aufeinander treffen, gerät der Kanon mächtig ins Wanken. Denn mit etablierten Klassifikationen ist der Wuschelkopf kaum zu satteln. Alternative Pop/Rock sagt der Waschzettel, als Advanced Beatschmiede versteht sich das Label, Folkmusiker soll er dann auch noch sein, der gute Yoni.
All die üblichen Annäherungen an die Substanz laufen aber letztlich ins Leere. Die Oaklander kriegt zu fassen, wer akzeptiert, dass Kinderreim-Glückseligkeit und wallende Shoegaze-Gitarren, gespittete Verse über kopulierende Schwule in Berliner Gassen und Calypso-Klänge keinesfalls Antagonismen sein müssen.
Anticon verstehen sich nicht umsonst als Club der progressiven Dichter und Denker. Ein idiomatischer Zirkel von Nerds, so to say. Gemeinsam mit seinem Bruder Josiah und Doug McDiarmid zaubert Wolf dicht arrangierte, verspielte FolkHop-Hymen, deren Stimmung zwischen herzschmelzender Euphorie, Gegenwarts-Nostalgie und choraler Düsternis wechselt.
Gleich im ersten Track wird das unerschöpfliche Repertoire in Position gebracht. Man beginnt völlig neben der Spur humpelnd in raschelnden Ketten, switcht über zu einem dramaturgisch feingeschliffenen Pianotriller und schwebt schließlich auf Gitarrenfeedbacks ab ins Wolkenkuckucksheim.
Die Schönheit der Alltagsbeobachtungen hängt dabei immer bis zum Knie im Makabren: "Even though I haven't seen you in years / Yours is a funeral I'd fly to from anywhere", oder "I sleep on my back because it's good for the spine / And coffin rehearsal". Insgesamt macht "Alopecia" noch ein bisschen satter als sein Vorgänger. Why? bitte fortan ausschließlich für verlassene Aulen und stillgelegte Schauspielhäuser buchen.
13 Kommentare
Danke anticon.!
Tracklist:
01. The Vowels, Pt. 2
02. Good Friday
03. These Few Presidents
04. The Hollows
05. Song of the Sad Assassin
06. Gnashville
07. Fatalist Palmistry
08. The Fall of Mr. Fifths
09. Brook & Waxing
10. A Sky for Shoeing Horses Under
11. Twenty Eight
12. Simeon's Dilemma
13. By Torpedo or Crohn's
14. Exegesis
Cover (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/c…)
www.myspace.com/whyanticon
ha, klasse!
@himself:
nun ja, why? haben mich erstmal richtig überzeugt und ich glaube das könnte richtig was werden.
Faschisten die sich über Leute mit Alopecia lustig machen.
Wer bist du denn ?
richtig tolles album, besonders der song By Torpedo or Crohn's hats mir angetan.