laut.de-Kritik
Ein Konzeptalbum wie aus dem Reagenzglas: Makellos und unnahbar.
Review von Kerstin KratochwillDas Indie-Wunderkind Jack Tatum aus Los Angeles bringt mit "Indigo" bereits sein viertes Album unter dem Projektnamen Wild Nothing heraus. Er verabschiedet sich auch damit immer weiter vom anfänglichen shoegazigen Dreampop des gefeierten Debüts "Gemini" in Richtung Soft Rock mit deutlichen Eighties-Anleihen. Dieser musikalische Weg deutete sich bereits auf dem Vorgängeralbum "Life Of Pause" an, und Tatum ist anzumerken, dass er nun auch einen Schritt in Richtung Zeitlosigkeit abseits von zugeschriebenen Genres machen will.
Er begründet den Stilwandel Wild Nothings damit, viel darüber nachgedacht zu haben, wie Musik altert. Zumindest wolle Tatum "aus der Zeit gefallen" sein, wenn er das große Ziel "Zeitlosigkeit" doch nicht erreichen könne. Beim Anhören beschleicht einen jedoch vielmehr der Gedanke, dass "Indigo" aktuell doch vielmehr ziemlich "zeitgemäß" geraten ist.
"Oscillation" erinnert an Tears For Fears' Powerpop, "Partners In Motion" umweht ein Hauch von Steely Dans Yachtrock, und mit "Flawed Translation" werden sogar Level 42 reaktiviert – alles Referenzen, an denen sich Hipster mittlerweile gerne bedienen. Wild Nothing spielt mit diesen Genres geschickt, jedoch auch zu glatt.
Von den perfekt arrangierten Songs bleibt wenig im Gedächtnis hängen, alles plätschert allzu geschmackssicher vor sich hin. Vom kalkulierten Vintagekitsch auf dem Cover hin zu den bewusst nicht aneckenden Songs: "Indigo" ist die perfekte iTunes-Liste bei Starbucks – abgespielt auf dem nagelneuen und spiegelnden Apple-Desktop.
Jack Tatum erklärte, mit "Indigo" habe er ein "klassisches Studio-Album" produzieren wollen: Dies ist ihm mit seinem makellosen Sound natürlich perfekt gelungen, doch ob Studiomusik von und für Studiomusiker auch außerhalb dieses Mikrokosmos gehört wird, zeigt vielleicht wirklich nur die Zeit.
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