laut.de-Kritik

Zwischen Avantgarde-Folk und Tribal-Pop.

Review von

Nach dem zwischen Spiritualität und Mystik pendelnden Opener "Island", der sich auf eine ergreifende weibliche Gesangsstimme und einen monotonen Backgroundchor beschränkt, markiert die folgende Single "There Is No Light" den absoluten musikalischen Kontrast und spiegelt die ganze Klasse und Bandbreite dieses schwedischen Vocal/Percussion-Duos wider.

An Andreas Werliins treibende Schlagzeug-Exkursionen nähert sich Mariam Wallentin faszinierende und variable Stimme erst mit wortlosen Gesangsfetzen und vermeintlicher Improvisation an, um dann mit rauer Stimmakrobatik den Text zu intonieren. Diese Reduktion bringt bei gleichzeitiger Aggressivität eine dynamische Unmittelbarkeit mit sich, der man sich kaum entziehen kann. Auch wenn die Nummer an Kraft nicht mehr überboten wird, das Niveau bleibt auch im weiteren Verlauf ganz weit oben.

Dieser Minimalismus prägt das Schaffen dieses Duos, das seine avantgardistischen Tendenzen immer an harmonische Melodien und zärtliche Momente koppelt, wodurch die Lieder bei aller Eigenwilligkeit und Experimentierfreudigkeit dennoch auf Hörerfreundlichkeit ausgelegt sind. Will man Referenzen bemühen, dann bietet sich The Creatures an, ein Zweigespann, das ebenso auf die eigenwillige Konstellation Gesang + Schlagzeug setzt.

Um klangliche Einseitigkeit zu vermeiden und Lücken in den Songs zu schließen, werden neben Tempovariationen zudem hier und da diverse Instrumente eingestreut. Stilistisch greifen sie auf Elemente aus Jazz, Folk, Pop und Weltmusik zurück. Das Ganze wird zusammengeschnürt mit Alternative Pop-Appeal, was die Platte bereits nach den ersten Stücken zu einem absolut hörenswerten Erlebnis macht.

Während Marian in Stücken wie "Places" und "Today/Tomorrow" ausschließlich auf perkussive Begleitung setzt, die sich gerne mal in ekstatische Höhen aufschwingt, werden die lieblichen Melodien in den famosen Stücken "Chain Of Steel" und dem finalen "My Heart" vom zurückhaltenden Spiel Xylophon und der Marimba untermalt.

Flirtet das Duo hier noch lächelnd mit dem Pop, klingt Marians stimmliche Artikulation in "So Soft, So Pink" wie durch den Vocoder gezerrt, bevor repetitive Pianoschläge und Synthieklänge die ruhige, befremdliche Melodie umgarnen. "Who Hoho Ho" präsentiert sich dagegen trübe gestimmt mit monotoner Melodielinie zu asiatisch anmutenden Klängen eines Zupfinstruments.

"Great Lines" dehnt sich mit schlichten Trommeln sphärisch bis sakral aus, ehe die Zither bei angezogenem Tempo der Percussions wie auch in "Liar Lion" Dark Wave-Stimmungen andeutet. Die mit der Textzeile "Don't run, you see I'm nothing without your rhythm" ("My Heart") suggerierte Zerbrechlichkeit des Mädchens, das fürchtet, alleine gelassen zu werden, kann man durchaus buchstäblich nehmen. Denn Wallentin und Werliin kann man sich nach dem Hören dieser Platte kaum mehr ohne einander vorstellen. Zur Erforschung von Klangwelten zwischen Avantgarde-Folk und Tribal-Pop ist diese Paarung trefflichst geeignet.

Trackliste

  1. 1. Island
  2. 2. There Is No Light
  3. 3. Chain Of Steel
  4. 4. So Soft, So Pink
  5. 5. Places
  6. 6. Great Lines
  7. 7. Today/Tomorrow
  8. 8. Liar Lion
  9. 9. Who Hoho Ho
  10. 10. My Heart

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