laut.de-Kritik
Die Gebete wurden erhört.
Review von Franz MauererDavid Eugene Edwards, oftmals DEE abgekürzt, ist eine interessante Gestalt. Das liegt nicht an seinen Facebook-Rants und nicht nur an seinen energetischen, atemberaubenden Live-Performances, sondern vielmehr am Ouevre des ehemaligen Bandchefs von 16 Horsepower, das herausragende Meisterwerke und Mediokres in verblüffender Art und Weise nebeneinanderstellt. Das blutarme "Star Treatment" aus 2016 fiel eher in letztere Kategorie, aber auch das durchschnittlichste Werk von DEE strahlt immer noch einen Funken seines besonderen Charmes aus.
Vier Jahre Zeit ließ sich DEE mit seiner Band Wovenhand für "Silver Sash", wofür der bekannt risikoaverse DEE mehrere Wagnisse auf einmal auf sich nahm: Das Album wurde vom bekennenden Analogextremisten mit allerlei elektronischem Firlefanz aufgenommen, und Chuck French, langjähriger Freund und Gitarrist von Planes Mistaken For Stars (in der auch Bassist Neil Keener tätig ist) und seit 2012 von Wovenhand, schrieb alle Songs mit. Damit lässt sich DEE zum ersten Mal die Zügel ein Stück weit aus der Hand nehmen.
Das äußert sich in einer ganz gewaltigen Renaissance der zuletzt abnehmenden Durchschlagskraft der Songs auf "Silver Sash". Seit "Ten Stones" - und auch dort nicht durchgehend - war eine solche Kraft nicht mehr zu hören. Der Folk vom Anfangswerk war sowieso passé, der danach verfolgte Goth-Southern-Rock überzeugte ab "The Threshingfloor" und dem Weggang des genialen Pascal Humbert nicht mehr so recht. "Silver Sash" fühlt sich dagegen merklich wohl in seiner Haut und ist auch deswegen eines der stärksten Alben des Detroiters seit langer Zeit. Die Produktion von Jason Begin, der als Vytear Breakcore veröffentlicht und mit DEE und French befreundet ist, glänzt mit einer mutigen Produktion, die DEEs charaktervolle Stimme weiter hinten mischt als üblich. Eine richtige Entscheidung, die DEE scheinbar motiviert, gegen die omnipräsente Gitarrenwand von French anzusingen.
Und das muss er auch. Denn schon der Opener "Temple Timber" eröffnet den Reigen mit typischem Wovenhand-Sound, zumindest typischem Livesound. Die breitbeinige Pose meidet David Eugene Edwards seit einigen Alben vollends oder zieht sie wie auf "Not One Stone" im Studio nicht mehr mit Konsequenz durch. Diese Zeiten sind vorbei. "Temple Timber" schraubt mit Lust die Spannung hoch und belässt es eben nicht bei der wabernden Atmo, sondern verfolgt einen konsequenten Song-Anspruch, ohne die für DEE wesentliche Komplexität zu opfern. Das treibende "Acacia" knüpft direkt daran an und verstärkt den bekannten manischen Rezitations-Aspekt von DEEs Gesang nur, statt ihn zu überlagern. Das ist alles luftiger und erdiger als 16 Horsepower zugleich, hier ist kein Country mehr, kaum Folk. "Silver Sash" ist eine ganz neue Scharte.
"The Lash" beginnt verhalten, fast schüchtern, mündet aber in ein Crescendo, das den wirren Geist des großartigen DEEs mit einer hervorragenden Snare-Welle einfängt. Manches erinnert in der Pose an die Wüstenbolde von Them Crooked Vultures, zumal DEE und Homme zunehmend ähnlich singen, aber zu jeder Zeit fühlt sich "Silver Sash" wie das unausweichliche Produkt von DEEs bisherigem Schaffen an. Dazu trägt vor allem das Albumhighlight "Omaha" bei. Eine coolere Bassline kann es eigentlich noch nicht gegeben haben, "Omaha" definiert Goth-Americana, Southern Rock und alles drumherum einfach neu mit seinem unbedingten Drive.
Neben dem rockigeren Sound hat "Silver Sash" aber noch mehr an Experimenten zu bieten: "Silver Sash" ist tatsächlich ein Wovenhand-Song, in dem ein Synthesizer die Hauptrolle spielt und der sich trotzdem dermaßen nach Wovenhand anhört, dass man nicht fassen kann, wie neu das Stilelement im Sound der Band ist. Der Schluss von "Sicagnu" mit seinen seltsamen Drums ist so schön, dass einem fast die Tränen kommen; ein Monument von einem Song. "Duat Hawk" knüpft an ruhigere Zeiten an, was auf vorherigen Alben vielleicht ein atmosphärischer Filler gewesen wäre, sprüht hier vor Spielfreude und Details. "8 out of 9" ist das perfekte Amalgam aus Selbstrezitation, neuen Elementen, eine sich immer weiter verrennende Hymne für die spirituelle Selbstentdeckung oder Microdosing, je nach Geschmack. In jeder Note dieses Lieds hört man die vier Jahre Bearbeitungsdauert heraus. Das Songwriting auf "Silver Sash" ist, ganz abgesehen von den geglückten Experimenten und der neuen Spiellust, auf einem ganz anderen Level als das von "Refractory Obdurate" und den anderen 10er-Alben.
Viele der Ideen auf "Silver Sash" passen wie die Faust aufs Auge, nur die Single "Dead Dead Beat" fällt leider zu schlicht und farblos aus - sonst steckt "Silver Sash" voller Treffer, die so unterschiedlich sind wie sie allesamt großartig sind. DEE hat alles behalten, was Wovenhand und ihn als Musiker interessant machte und den Tand weggeschmissen. Er tat gut daran, frischen Wind in sein Priesterkabuff zu lassen und der Welt zu zeigen, wie er sich eigentlich anhört, wenn man das Vergnügen hat, ihn auf einer Bühne spastisch performen zu sehen. So ist ihm ein weiterer Glanzpunkt seiner Karriere gelungen, der auf einem Level mit dem genredefinierenden "Secret South" steht.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Fünf Punkte auf keinen Fall. Dafür ist der dünne Mix schon ziemlich beschissen, der mir die eigentlich ganz guten Songs zunichte macht. Auch fehlt mir die Tiefe und die Vielschichtigkeit von "Risha".
Geht mir genauso. LoFi würde ja prinzipiell gut zu ihnen passen, aber hier irgendwie nicht. Highlight in meinen Ohren: The Laughing Stalk.
Hab gestern mein erstes Durchhören und bin auch vom Sound enttäuscht. Mir fehlt (im Gegensatz zum Rezensenten) auch der eingängigere Folk-Anteil der früheren WH Jahre. Aber gut, das Album braucht auch Zeit und kann wachsen.