laut.de-Kritik
Der 'Gefangene eines besetzten Landes' lädt zur Retrospektive.
Review von Kai ButterweckZwei "Sing Meinen Song"-Alben, ein Abstecher in skurrile Dubstep-Welten ("Tanzmusik") und nun auch noch ein dreigefächertes Live-Paket namens "Hört, Hört!": Xavier Naidoo lässt 2014 einfach nicht locker. Es gibt aber auch Hoffnung für das von dem Mannheimer Wanderprediger musikalisch und textlich drangsalierte Jahr 2014; Hoffnung in Form des Kalenders, der irgendwann die Faxen dicke hat und zur Erlösung schreitet. Bis dahin muss noch ein letztes tiefes Tal durchschritten werden. Das hat es kurz vor Torschluss aber noch mal so richtig in sich; schließlich sieht man sich nicht nur einem Xavier Naidoo sondern auch einem Heer von 22.000 Berliner Gläubigen gegenüber, die ihrem Messiahs frenetisch zujubeln. Aber es sind nur noch wenige Tage. Also: Durchhalten, 2014!
Die Devise muss jetzt lauten: Augen zu und durch, auch wenn es weh tut. Und das tut es; denn der gute Xavier fährt zum finalen Nackenschlag nochmal alles auf, was er in den vergangenen 15 Jahren so aus dem Boden gestampft hat. Von den Solo-Anfängen ("Führ Mich Ans Licht", "Seine Strassen") über Söhne Mannheims-Zwischenstopps ("Und Wenn Ein Lied") bis hin zu aktuellem Gepredige à la "Bei Meiner Seele" oder "Hört, Hört": Der selbsternannte "Gefangene eines besetzten Landes" lädt zum ultimativen Retrospektive-Tanz. Und zigtausende Hauptstädter sind dabei. Es wird geklatscht, gejubelt und mitgesungen. Emotionen pur. Da lässt man sogar sämtlichen Gefühlen freien Lauf und knutscht wie wild herum, auch wenn die musikalische Untermalung eigentlich ganz andere Gelüste wecken soll ("Autonarr"). Xavier Naidoo findets trotzdem toll: "Schönes Bild. Auch im Auto kann man Kinder zeugen. Und Deutschland braucht diese Kinder. Also, allzeit gute Fahrt!" Ohne Worte.
Glücklicherweise redet sich der Sänger an jenem lauen Juli-Abend in Berlin nicht noch weiter um Kopf und Kragen. Zwischen den Songs wird nur selten pausiert. Meist gehen die Lieder ineinander über, was irgendwann allerdings zwangsläufig dazu führt, dass der Hörer unsicher wird, ob er nicht doch lieber die eine oder andere Phrasen-Tortur mehr präsentiert bekommen hätte. Naidoos Live-Band lässt sich zwar technisch nichts zu Schulden kommen, doch in punkto Dynamik, Leidenschaft und Spielfreude erreicht das zweistündige Mainstream-Geplänkel im Background nicht einmal Fernsehgarten-Niveau.
Das einzige, das wirklich Live-Qualitäten besitzt, ist das durchgeschwitzte runde Ding auf dem Hals von Gitarrist Alex Auer, das sich immer wieder im Stile eines Löwen-Hauptes, Sekunden vor der Nahrungsaufnahme, gekonnt in Szene setzt. Hören kann man das natürlich nicht, aber dafür sehen; schließlich liegt dem Audiomaterial des Albums auch noch eine DVD des Konzertes bei. Dort kann man auch beobachten wie der Hauptprotagonist sich hin und wieder an belustigenden Tanzeinlagen versucht. Im Großen und Ganzen mimt Naidoo aber den selbstgeschaffenen Brüder-und-Schwester-Checker mit Sonnenbrille und Schiebermütze; den Retter der Zweifelnden, der seine Jünger unbeirrt auf die richtigen Pfade des Lebens führt.
Nach knapp zwei Stunden rennt Naidoo schließlich mit einem Lächeln auf den Lippen von der Bühne, kämpft sich durch die engen dunklen Katakomben der Waldbühne, setzt sich in ein Auto und fährt von dannen. Das ist der Augenblick, in dem das gebeutelte Jahr 2014 endlich durchatmen darf. Es ist geschafft. Jetzt kommt nichts mehr. Nun heißt es Wunden lecken und dem bereits in den Startlöchern sitzenden 2015 viel Kraft, einen langen Atem und ein dickes Fell wünschen. Nimmt man die Veröffentlichungsflut der vergangenen Monate nämlich zum Maßstab, dürfte es nicht lange dauern, ehe Xavier Naidoo wieder auf der Matte steht.
7 Kommentare mit 7 Antworten
der erste Absatz beschreibt quasi das Vorspiel zu gleitmittelfreiem Analverkehr.
fühlt sich das Album also summa summarum auch so an?
Warum hat das erste Album von ihm eigentlich nur 2/5 bekommen? Das war doch echt ganz gut und hatte noch die alles zerbestenden Moses-Beats.
Props dafuer, dass du die Verwendung von "zerbersten" oben haeltst.
Hat Moses nicht quasi das komplette Tonstudio gesprengt ?
Junuar 2015: Kollaboalbum: Der Xer feat. Mateo: Zion#isson produziert von wiederauferstanden Graphen. Frohlocket.
Daumen hoch für "Zion#isson".
Das finde ich auch gut.
"In der Bibel steht auch: Wenn dir im Krieg irgendwo eine Frau gefällt, dann nimm' sie mit. Dann muß sie halt einen Monat lang außer Haus schlafen."
In Zeiten universeller Täuschung ist das Aussprechen von Wahrheit ein revolutionärer Akt.“ (George Orwell)
Xavier Naidoo ist der Idiot des Jahrhunderts. Ich habe mich schon immer gefragt warum der so viel Erfolg hat, anscheinend hinterfragt er das jetzt auch selbst. Zumindest glaubt er seine Hirngespinste können den verkauVerkaufszahlen nichts anhaben.