laut.de-Kritik
Der erste DSDS-Sieger hat ein Schimpfwort entdeckt.
Review von Sven KabelitzIn bester Wolle Petry-Tradition gab Alexander Klaws auf der Schlagerparty des Hessentags seine neuesten Nummern zum Besten. Laut youtube.com-Link und Betonung ruft er deutlich zu ungewohnten Praktiken auf: "Scheiss Große Liebe". Wie muss ich mir das vorstellen? "Hier Schatz, ich habe dir große Liebe geschissen." Hach, wie romantisch. Ich versuche die Damenwelt ja auch schon seit 40 Jahren mit meinem Kot zu beeindrucken. So richtig hat das bisher nicht geklappt.
Ein weggelassenes Leerzeichen später sieht die Aussage schon ganz anders aus. Die Tracklist verrät mir, dass das Stück "Scheißgroße Liebe" heißt. Damit ist Ebbe mit dem Hohelied auf die Koprophilie. Irgendwie doch schade.
Über Wolle kann man sagen, was man will, aber wenn er "scheiße" sagt, dann meint er auch scheiße. Zumindest in diesem einen Punkt ist er authentisch. Der erste DSDS-Sieger wirkt jedoch wie ein kleines Kind, das mit einem neuen Schimpfwort aus dem Kindergarten heim kommt. Ohne zu wissen, was seine Neuentdeckung überhaupt bedeutet, rennt er die Wohnung auf und ab, posaunt sie stolz heraus und erfreut sich an den Reaktionen der Erwachsenen. Das ist also dieser "Schlager mit Stil, Qualität und gewaltigem Hitpotenzial", von dem die Presseinfo spricht.
Natürlich besteht "Auf Die Bühne, Fertig, Los!" nicht nur aus diesem einen Song, dieser gibt die Richtung der einen Hälfte des Longplayers gut vor. Abseits seiner Musicalkarriere hat Klaws, der sich auf dem Cover noch als Aushilfs-Timberlake bewirbt, bis heute zu keinem eigenen Image gefunden. Mit jedem Album wechselt er ziellos Sprache oder Stil. Mal englisch, mal deutsch. Mal versucht er sich am Bohlen-Pop ("Take Your Chance"), mal am Rock ("Was Willst Du Noch?"). Nun folgt Schlager, der sich hinter dem Output von Helene Fischer und Andrea Berg verstecken muss.
Auf "Auf Die Bühne, Fertig, Los!" steht Schlager für das Lila der Musik: Die letzte Chance eines Musikers, der nicht mehr weiß, wie er Aufmerksamkeit auf sich ziehen soll. Nummern wie "Dieser Sommer" oder "Adrenalin" bleiben erschreckend austauschbar. Nervenaufreibende Bumms-Beat-Zombies, grenzdebile Lieder aus der Discofox-Hölle.
Die andere Hälfte nimmt der Musicaldarsteller Klaws ein. Im Gegensatz zu den Schlagertracks wirkt seine Phrasierung von einem Augenblick auf den Nächsten gestellt und affektiert. Der aufgedrehte Opener "Wilde Welt" versteht sich als pompöse Andrew Lloyd Webber-Version von "Let Me Entertain You". "Steh auf und mach was / Weil es Grenzen nicht gibt / Das Leben macht Spaß / Wenn man aufsteht und fliegt / Ohoh, willkommen in der wilden Welt."
Langsam dämmert mir, warum Bohlen bei DSDS die Nase rümpft, wenn ein Teilnehmer nach Musical klingt. Nun unterstreicht ausgerechnet sein erster Star diese These. Die übersteigerten Kniffe mögen für die Bühne überlebenswichtig sein, auf einem Album erweisen sie sich als hinderlich und unnatürlich.
Dieses Problem zieht sich auch durch die Balladen des Albums, die in ihrer musikalischen Untermalung und textlichen Aussage auch aus einem Disney-Film stammen könnten. "Jeder Mensch, jedes Kind, jede Frau, jeder Mann / Braucht einen der fest zu ihm hält / Ohne wenn oder aber und ich brauch' dich / Bist der absolute Mittelpunkt meiner Welt", singt Klaws, ganz im Tarzan-Modus, im schunkelnden "Jeder Braucht Jemanden".
Die vom allgegenwärtigen Frank Ramond mitgeschriebenen Stücke wirken wie der Ausschuss seiner Arbeiten für Roger Cicero, Annett Louisan und Barbara Schöneberger. Der Tand in der schmerzhaften Schulze "Lampenfieberzeit" wäre wohl selbst dem späten Roger Whittaker zu kitschig. "Ich krieg' echt Lampenfieber / Das bin doch nicht ich / Bringst mich mit einem Blick nur aus dem Gleichgewicht / Das geht wohl erst vorbei / Ich bin erst wieder frei / Wenn ich trotz Rampenfieber sag' / Ich liebe dich." Ah, so scheißt man also große Liebe.
In seinen Rollen in "Tanz der Vampire", "Tarzan" und "Jesus Christ Superstar" hat Alexander Klaws ein zu Hause gefunden. Hier gehört er hin, lebt auf, kann spielen, sein Talent optimal nutzen. Seine Alben und sein Sieg in DSDS waren der Ausgangspunkt für diese zweite Karriere. Es bleibt zu hoffen, dass er nach "Auf Die Bühne, Fertig, Los!" erkennt, wo seine Stärken liegen und sich zukünftig auf diese konzentriert.
4 Kommentare mit 5 Antworten
Sollte der meine große Liebe nochmal so verunglimpfen, hole ich Senna. Die bringt diesen Musical-Tarzan mal Anstand und Benehmen bei.
Album 1/5, Rezension starke 4/5.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Ob nun ein Musical-Kritiker Alexander Klaws oder die gesamte Inszenierung als "Weltklasse" bezeichnet hat, sei mal dahingestellt. Aber dieses Album ist keine musikalische Weiterentwicklung geschweige denn Weltklasse, sondern eher ein Rückschritt. Schade eigentlich...
Top Rezi, Sven bringt es mal wieder auf den Punkt.
Zum Album muss man nicht viel sagen. Musik für Leute, die denken, der Aal sei das Wappentier von Österreich. 1/5
Ist er nicht?
natürlich ist er das !
Und welches ist euer Lieblingsalbung von Klaws? Ist ein richtig töfter Traumboi. *o*
findest du ?