laut.de-Kritik
Klug kalkuliert aufs Vorurteils-Parkett.
Review von Artur Schulz"Das ist der Trick!", intonierte Annett Louisan 2006 im Song "Das Große Erwachen". Klug kalkuliert führt sie die Hörer von "Teilzeithippie" gleich zu Beginn vortrefflich aufs Vorurteils-Parkett und lockt erneut in jene (zunächst) zärtliche Falle, die sie in "Das Spiel" bereits vor rund vier Jahren selbst legte.
"Das Schlechte Gewissen" startet als Alben-Opener quasi als Fortsetzung zum "Spiel" - es ist der nüchterne Morgen danach - und lässt Mäkler an eine Wiederholung der alten Rezepte glauben. Doch natürlich: falsch gedacht!
Der "Sexy Loverboy" streift musikalisch Simon & Garfunkel-Arrangements. "Die Siezgelegenheit" macht Schmunzeln als charmantes Spiel mit einer fast vergessenen Höflichkeit in Zeiten des stets und überall anzutreffenden "Dus". Texter Frank Ramond verpasst der sanft schwingenden Nummer eine höchst amüsante, zielsichere Pointe.
Bei "Ich Brauch Stoff" geht es nur oberflächlich betrachtet um knallharte Drogen – auch hier besitzen die Lyrics eine originell durchdachte und intelligent umgesetzte Doppelbödigkeit. Nach spannendem Aufbau wildert der Song mit Beats und satten Bläsersätzen in Burt Bacharach-Gefilden.
Mit der Ballade "Die Nächste Liebe Meines Lebens" beweist der kanadische Sänger und Songwriter Martin Gallop, dass ein Folkrock-Kostüm Annett Louisan ebenfalls ausgezeichnet kleidet. Steht sie nun endlich im Herzens-Wohnzimmer, die eine, die wahre, die endgültige Liebe? "Mein Herz ist frei, richte dich ein". Annett bleibt misstrauisch, denn "Es fühlt sich wieder gut an / das Leben trinkt sich Mut an / für die nächste Katastrophe". Da spricht ein gebranntes Kind und wartet auf "Das nächste letzte Mal".
Die Single-Auskopplung "Drück Die 1" kommt musikalisch beschwingt daher, doch unter der scheinbar heiteren Oberfläche lauert noch eine heftig schmerzende Bitterkeit. Eine Menge der Songs sind nicht das, was sie zunächst scheinen – sei es textlich oder nach ihrer anfänglichen, musikalischen Einleitung.
Ein munter eingesetzter Vexier-Spiegel ist oft genug präsent, und auch ironische Brechungen fehlen nicht. Als besonderes Highlight entpuppt sich eine für Louisan bislang völlig untypische Nummer: "Ich Bin Dagegen" rockt mit feinem Sixties-Beat und jeder Menge Power frühere Balladen-Seligkeiten mit punktgenauem Fingerschnippen an die Wand, untermalt von stilechtem, herrlich altmodischem Schweineorgel-Sound.
Sitar-artige Klänge und ein Tamburin-Solo untermalen die Gelegenheitssex-Sektion in "Gedanken Lesen". Das Mädchen wird schöner mit jedem Glas Bier, doch auch den Damen geht's mitunter ähnlich, beweist Annett Louisan leut- und cocktailselig mit dem koketten "Je Später Der Abend": desto schöner die Herrn!
Die Veränderungen im Leben finden in den Stilwechseln eine glaubwürdige Entsprechung. Nach all den Wirrungen und Verirrungen des Herzens wartet aber die tröstliche Erkenntnis "Auf Dich Hab ich Gewartet", der dritte Part der ausnahmlos glänzend komponierten Arbeiten von Martin Gallop. Die Hoffnung auf Liebe stirbt bekanntlich nie.
33 Kommentare
Ob man die Samtstimme von Annett mag oder nicht ist Geschmackssache. Gewohnt herausragend (verglichen mit anderen Pop-Alben) sind jedoch wieder die Instrumentals von Frank Ramond. Wer anspruchsvolle Harmonien oder ungewöhnliche Besetzungen mag, die sich nicht in interlektuellem Perfektionismus verlieren, wird das Album sicherlich mögen.
Louisan-Rezensionen sind immer ein Highlight
War würde passieren, wenn in der Laut-Redaktion ein neues Album von Miss Louisan eintrudelt und Artur Schulz bekäme ein Reviewverbot?
Nicht auszudenken, wenn man es einem HipHopper oder Metalhead zum Fraße -respektive zum Verriss- vorwerfen würde.
Morgen müsste das Album in der Briefbox sein, die vorab gehörten Appetithappen führten zu einem sehr schnell gefüllten Warenkorb.
ich mag ihre musik nich-.-
3-4 lieder von ihr sind ok, den rest kann man sonstwo hinschmeißen!
Schmeiß' deine Nickelback und 3 Doors Down Sammlung aber gleich hinterher!
@matze73 (« Schmeiß' deine Nickelback und 3 Doors Down Sammlung aber gleich hinterher!
»):
hast du was gegen musik?