laut.de-Kritik

Beste Göteborger Schule, detail- und harmoniereich.

Review von

Mit Anders Björler verloren At The Gates im März 2017 eine Hälfte ihres songschreibenden Zwillingspaars und damit ein wesentliches Kreativzentrum der ursprünglichen Melodic Death Metal-Bewegung. Man könnte meinen, das wärs zum zweiten Mal gewesen, für die Göteborger. Denkste. Bruder Jonas kommt beim Komponieren ganz hervorragend auch ohne Anders aus. Er hat die Trademarks der Genrepioniere verinnerlicht.

Um das zu erkennen, reicht schon der Titelsong "To Drink From The Night Itself". Diese Staccato-Riffs plus hastende Drums, immer wieder durchsetzt von melodischen Brüchen, die etwas zu düster ausfallen, um als episch durchzugehen: Das ist beste traditionelle Göteborger Schule und typisch At The Gates. Beim Rekombinieren bekannter Tugenden ermüden die Schweden nicht, sondern ihnen gelingt durchwegs spannendes Songwriting.

Ohne viel an Aggression einzubüßen, intensivieren sie ihren Detail- und Harmoniereichtum. Progressive Elemente hatten At The Gates zwar schon in den Neunzigern im Repertoire, das Orchester/Chor-Arrangement von "The Mirror Black" und des Intros "Der Widerstand" erstrahlt, jedenfalls gefühlt, aber noch etwas ausgefeilter als bisher. Das mit komplizierten Riffs gespickte "Daggers Of Black Haze" bereichern Gothic-Klavier, clever eingesetzte Akustikgitarre und ein Rock-Solo.

Demgegenüber steht Schnörkelloses wie das thrashige "In Death They Shall Burn", um nicht zu tief ins Verspielte zu kippen. Immer wieder schielen At The Gates auch in den schwarzmetallischen Bereich, etwa wenn sie in "Palace Of Lepers" und "A Stare Bound In Stone" atmosphärische Tremolomelodien schreddern. Apropos Atmosphäre: "The Mirror Black" verfügt über die Kraft Behemoths, die Raffinesse Agallochs, das Melodiegespür Insomniums und behält dank Tomas Lindbergs unverkennbarem Keuchen trotzdem auch At The Gates-DNA.

Den poetischen Albumtitel ersann der Sänger übrigens, inspiriert von Peter Weiss' Roman "Die Ästhetik Des Widerstands", als Metapher für die völlige Hingabe an die Kunst, die symbolische 'night'. "Schau' nicht zurück, mach' einfach Kunst", erklärt er. At The Gates trinken aus derselben Quelle wie eh und je, längst fließt dort aber nicht nur brackiges Altwasser. "To Drink From The Night Itself" ist definitiv Kunst. Eine, die man auch ohne philosophische Ader versteht.

Trackliste

  1. 1. Der Widerstand
  2. 2. To Drink From The Night Itself
  3. 3. A Stare Bound In Stone
  4. 4. Palace Of Lepers
  5. 5. Daggers Of Black Haze
  6. 6. The Chasm
  7. 7. In Nameless Sleep
  8. 8. The Colours Of The Beast
  9. 9. A Labyrinth Of Tombs
  10. 10. Seas Of Starvation
  11. 11. In Death They Shall Burn
  12. 12. The Mirror Black

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