laut.de-Kritik
Die Berliner ahnten nicht, dass dies ein Abschied ist.
Review von Ulf KubankeBerlin im Jahr 2000: "Um wirklich einen wunderschönen Samba zu schreiben, braucht man ein wenig Traurigkeit", betonte Baden Powell stets. Doch als der verdiente Bossa Nova-Veteran an diesem Abend - dem 500. Geburtstag seiner brasilianischen Heimat - vor seinen deutschen Fans auftritt, ist niemand von den Berliner klar, dass dies ihr letzter gemeinsamer Abend mit dem großen Gitarristen sein soll. Wenige Monate danach stirbt Powell.
Paris und Berlin waren seit jeher dankbare Pflaster für den Meister der Violão, der brasilianischen Akustikgitarre. Bereits 1967 gelangen ihm in beiden Städten furiose, feurige Gigs, die seinen europäischen Durchbruch einleiteten. Seine gefühlvollen Klassikinterpretationen ("Tocata"), schneidiger Jazz ("Vento Vadio") und vor allem der Samba ("Samba Do Aviao") sind die drei Pole, in denen Powell seine Magie auf sechs Saiten zelebriert. An diesem auf Vinyl, CD und DVD festgehaltenen Abend soll der Funke nach mehr als 30 Jahren noch einmal überspringen.
Auch mit 63 Jahren hat Powell nichts an Leidenschaft eingebüßt. Seine Lieder transportieren noch immer das unnachahmliche Wechselbad zwischen heller Lebensfreude und niederschmetterndem Schmerz, die einander willig umarmen. Alles kulminiert in purer Schönheit.
Auch die Setlist ist über jeden Zweifel erhaben. Viele seiner niemals welkenden Klassiker baut Powell ins Programm ein. "Samba Triste" und "Samba Da Bencao" sind ebenso vertreten wie "Berimbau" oder "Manha De Carnaval". Für Neulinge, denen der Mann aus Rio de Janeiro bislang unbekannt war, taugt das Konzert mithin zum gelungenen Einstieg in Powells Schaffen. Wer sich davon anfixen lässt und mehr von dieser wundervollen Musik braucht, dem seien "Poema On Guitar", "Samba Triste", "Tristeza On Guitar" oder sein erfolgreichstes Album "Os Afro Sambas" empfohlen.
Auch musikhistorisch hat diese Aufzeichnung des späten Baden Powell dokumentarischen Wert. Dennoch bleibt die Freude über die Veröffentlichung nicht gänzlich ungetrübt. Baden Powell de Aquino legt den Abend als Storyteller-Auftritt an. Das funktioniert auf CD nur bedingt. Zum einen geht ein Teil des musikalischen Flows durch die stetigen Unterbrechungen unter. Das Label versäumte es hier leider, den überlangen Intros eigene Tracknummern zu zuweisen, damit der Hörer diese ohne Verlust skippen könne. Zum anderen spricht Powell konstant in seiner Heimatsprache. Wer des Portugiesischen nicht mächtig ist, hat somit schlechte Karten und empfindet die Sprachbeiträge zunehmend als Ärgernis.
Auch das Spiel selbst leidet unüberhörbar unter der schwer angeschlagenen Gesundheit Powells. Die energetische Dynamik und die schillernden Tempowechsel sind längst Geschichte. Im Vergleich zu den Originalversionen und früheren Live-Darbietungen fehlt - trotz aller Filigranität - ein Teil des alten Zaubers. Insofern taugt "Live In Berlin" insgesamt eher als Ergänzung, denn als Alternative zu den obig genannten Platten. Wer sich darum jedoch nicht schert und das Charisma des Augenblicks über alle Kritikpunkte stellt, mag hier unbedingt zugreifen.
1 Kommentar mit 2 Antworten
korrektur...der Maestro heisst nicht Roberto mit Vornamen sondern Baden Powell de Aquino mit vollem Namen! an diesem Abend war ich in der ausverkauften Volksbühne und es war mehr als ein magischer Abend trotz oder vielleicht wegen der Fehler die in seinem Spiel immer wieder aufgetreten sind die vor allem seiner Gesundheit geschuldet waren. Die DVD Version ist natürlich durch seine Bilder und die Untertitel für Einsteiger einfacher als Einstieg in dieses Konzert aber die Klangqualität vor allem der Vinyl Edition ist einfacht genauso magisch wie es der Abend war...
Danke für den Hinweis. Ist natürlich völliger Blödsinn.
Roberto Baden Powell de Aquino: https://en.wikipedia.org/wiki/Baden_Powell…