laut.de-Kritik

Niemand macht es seiner Hörerschaft so leicht, mit ihm zu wachsen.

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Basstard ist zurück. Zehn Jahre nach seinem letzten Album "Meister Der Zeremonie", 20 Jahre nach "Dogma (Gegen Die Zeit)" und 25 Jahre nach seinem Debüt "Rap Dämon" eröffnet er "Nima" mit einer Reminiszenz an ebendieses Erstlingswerk. "4 Immer Rapdämon" steigt mit Nachrichtenmeldungen über Graffiti und Straßengangs ein, zitiert Statements von Frauenarzt und MC Bogy, rekapituliert den eigenen Werdegang und endet mit Fans, die lauthals "Brennt den Club ab!" rufen. Es könnte das reinste Klischee eines Berliner Representers sein, doch genau das vermeidet er glücklicherweise.

Sein 'Was bisher geschah' balanciert auffallend zwischen nostalgisch und melancholisch. Während schon der Titel "4 Immer Rapdämon" etwas Verkürztes, Oberflächliches an sich hat, kreiert Produzent Shorty Tragedy eine musikalische Umgebung, die jede Romantisierung vermeidet. Statt die prachtvolle Vergangenheit auf ein Synthie-Brett an die Wand zu nageln, spricht aus dem Akustik-Instrumental eher Bedauern, ein leiser Schmerz. "Jeder war auf seine Weise ein einsamer King", blickt Basstard nun deutlich weniger selbstsicher auf seine Zunft zurück, in der in Wahrheit "jeder für sich alleine" gekämpft habe.

Früh löst er das vorab gegebene politische Versprechen ein. "Utopia" taucht in die depressive Realität verendender Wale und schmelzender Polkappen ab. Ohne pathetisch auf Grund zu laufen, vermittelt das Instrumental mit Streichern und Meeresrauschen eine Art ironische Schönheit. "Hoffnung ist ein schönes Wort für die, die es sich leisten können. Für die anderen gibt es noch Völkermord, Hunger und Naturkatastrophen, Verlustangst und Drohnen. Glücklich im Konsumwahn geboren", skizziert er die Schuld, die Menschen der ersten Welt mit vermeintlich harmlosen Kaufentscheidungen auf sich laden.

"Banalität Des Bösen" lässt zunächst einmal Hannah Arendt zu Wort kommen, was immer eine gute Idee ist. Die Publizistin hat den titelgebenden Ausdruck geprägt, als sie den Prozess gegen Adolf Eichmann beobachtete. Im SS-Obersturmbannführer, der die Deportationen der Juden organisiert und koordiniert hatte, erkannte sie keinen "Dämon oder Ungeheuer", sondern eher einen eifrigen, vielleicht etwas einfältigen Bürokraten. Basstard baut aus dieser Thematik einen kraftlos intonierten, grüblerischen Song, der auf stimmliche Überschläge verzichtet.

"Hannah hat dem Teufel in die Augen gesehen und wusste nicht mehr, was sie da bekämpfte, denn hinter diesem Teufel waren noch andere Augen, die Hannah ebenfalls ganz ohne Gram bestaunten. Und immer, wenn die Menschlichkeit verliert, heißt es, der Mensch ist nichts weiter als ein Tier", sinniert er desillusioniert. Klug schlägt Basstard eine Brücke zur Rhetorik, die auch heute wieder den Alltag im Allgemeinen und die Migrationsdebatte im Speziellen prägt. "Es fällt auf, dass wir empfänglich werden für die harte Sprache von Nazis. Empathisch war mal eine Eigenschaft mit Wert."

Den Mittelteil des Albums reserviert er für private Einblicke. "Film Noir" erzählt zu unruhigem Trap von einer manischen Episode, die vom kreativen Rausch direkt in "ein offenes Loch" führte. Schon im letzten Interview thematisierte Basstard besagten Absturz. Fließend geht der Song in den folgenden über, der vergleichsweise typisch für ihn den Kampf ums "Überleben" gegen den "Todfeind" im Spiegel behandelt. "Maria" rekapituliert seine Erfahrung mit einem obsessiven Fan, der ihn sogar mit einer geladenen Waffe bedrohte. Eingeschüchtert nimmt er quasi die Gegenposition zu seiner Rolle in "Jeannie" ein.

"Krieg Gegen Gott" kombiniert seine persönlichen Erfahrungen mit der politischen Lage im Iran. "Gott ist niemals hier gewesen, Hölle ohne Grenzen. Hier bin ich geboren worden, deshalb bin ich Dämon", trägt Basstard in der ersten Strophe vor, die in seinem Geburtsjahr 1982 spielt. Im zweiten Teil springt er 40 Jahre weiter zu den mittlerweile versandeten Protesten nach dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini. "Nur ein Jahr später war das alles schon vergessen. Die Menschenrechte sind verkauft für Wirtschaftsinteressen", gesteht er sich schwarzseherisch ein.

Orientalisch abgründig kommt das einzigartige "Zahhak" daher. Im Avesta, der heiligen Schrift der altiranischen Religion, handelt es sich dabei um einen dreiköpfigen Drachen. Später entwickelte sich die mythologische Figur zu einem Symbol der Fremdherrschaft. "Nieder mit der Tyrannei, schließ dich an dem Widerstand", skandiert Basstard nun an der Seite seiner kongenialen Partnerinnen Faravaz und Justina. Interpretationsoffen beschwört er den Drachentöter herauf. "Er stieß den Zahhak in den Feuerstrom, ohne es zu ahnen, dass dieser nun in neuer Form über das alte Land erneut regiert."

Hübsch gestaltet Basstard den Übergang zu "Neukölln Im Juli", wo sich der Blick ebenfalls zum Himmel richtet. "Nebenan fliegen die Drachen", beobachtet er, wobei es sich im heimischen Berlin um Papierprodukte handelt, die sich spielerisch im Wind wiegen. Auch hier gibt es Schattenseiten wie Racial Profiling oder Polizeigewalt, doch zumindest lässt sich in der sommerlichen Hitze ein Eis genießen. Im folgenden "Stadt Der Verdammten" liefern Basstard und Mach One Großstadt-Impressionen, wobei sie ähnlich beiläufig und schmerzunempfindlich operieren wie K.I.Z. auf ihrem Opus magnum.

So viele Rapper bemühen sich mit den Jahren, Anschluss zu halten, verkommen zu ihrer eigenen Parodie oder werden schlicht beliebig. Basstard denkt sein Urkonzept einfach immer weiter und macht es seiner Hörerschaft damit leicht, mit ihm zu wachsen. Das Album ist ehrlich und selbstreflektiert, ohne in Pathos abzudriften, und politisch, ohne sich in Phrasen oder Populismus zu verlieren. Es ist schlicht intelligent. "Das ist vielleicht das Beste, was ich je gemacht hab', ohne viele Schnörkel einfach nur ich zu sein", heißt es am Ende, während er wie im Coming-of-Age-Film frohgemut Richtung Zukunft wandelt.

Trackliste

  1. 1. 4 Immer Rapdämon
  2. 2. Stasis
  3. 3. Banalität Des Bösen
  4. 4. Utopia
  5. 5. Film Noir
  6. 6. Überleben
  7. 7. Maria
  8. 8. Krieg Gegen Gott (mit Jinas Stimme)
  9. 9. Zahhak (mit Faravaz und Justina)
  10. 10. Neukölln Im Juli
  11. 11. Stadt Der Verlorenen (mit Mach One)
  12. 12. Demons (mit Juju)
  13. 13. Auf Ewig (mit MXP, Tamas und G-Ko)
  14. 14. Krematoirum
  15. 15. Nima

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