laut.de-Kritik

Verzerrte Synthie-Sounds donnern auf den orchestralen Feingeist ein.

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Ridley Scotts "Alien" ist ein Meilenstein - in praktisch jeder Hinsicht. Der Weltraumhorror überzeugt mit einem fantastischen Design, einem kunstfertigen Score, sexuellen und ökonomischen Implikationen und einer Hauptdarstellerin, die hart und zart gleichermaßen beherrscht. Nach mehreren beachtlichen Fortsetzungen hat die Reihe in den letzten Jahren aber den Boden unter den Füßen verloren. Die Prequels "Prometheus" und "Alien: Covenant" drehten sich um jene grundsätzlichen Fragen nach den Ursprüngen des Lebens, die die Konfrontation mit dem radikal Anderen eher unterläuft.

"Ich wollte zur ursprünglichen Form zurückkehren", gestand Fede Àlvarez dem Rolling Stone. Auf dem Papier ist der uruguayische Regisseur die ideale Wahl, immerhin bewies er mit "Don't Breathe" schon einmal, dass er handfesten Horror mit Bodenhaftung beherrscht. Und auch Komponist Benjamin Wallfisch weiß dank seiner Musik zu "Annabelle 2", "Der Unsichtbare" und dem Zweiteiler "Es", Schrecken zu verbreiten. "Ich bin sehr glücklich, dass ich die Aufgabe bekommen habe, in die Fußstapfen meiner Helden zu treten", sagte er Forbes mit Blick auf seine Franchise-Vorgänger im "Alien"-Kosmos.

Gleich zu Filmbeginn grüßt Urkomponist Jerry Goldsmith. Eine Raumsonde birgt aus den Trümmern der Nostromo einen Xenomorph. Von den kleinen Echos in den endlosen Weiten bis zur subkutanen Spannungserzeugung lehnt sich Wallfisch an das "Main Theme" des ersten Scores an. Er verwebt Musik mit Soundeffekten, indem er den zischenden Laser zur Freilegung des extraterrestrischen Wesens integriert. Das Intro gipfelt schließlich in einem unheilvollen, fast unbeseelten Chor, der geradezu an den einsetzenden Wahnsinn der Frühmenschen beim Anblick des Monolithen in "2001: Odyssee im Weltraum" erinnert.

"Alien: Romulus" folgt Rain Carradine, die auf einem unwirtlichen Planeten als Minenarbeiterin mit dem ihrem Ersatzbruder lebt, dem Androiden Andy. Um der postapokalyptisch wirkenden Kolonie zu entkommen, beschließt sie, mit einer Gruppe um ihren Freund Tyler zu einer nahegelegenen ausgemusterten Raumstation aufzubrechen. Dort erhoffen sie sich, Kryokammern vorzufinden, um im Kälteschlaf zum terraformierten Planeten Yvaga zu reisen. Hoffnung blitzt in "That's Our Sun" auf, als sie die dichte Wolkendecke durchstoßen und mutmaßlich erstmals den Stern ihres Systems erblicken.

Das Freiheitsversprechen verschafft ihnen nur ein kurzes Hochgefühl. Nach Zweidritteln von "That's Our Sun" kippt das Stück, als die aus den Hälften Romulus und Remus bestehende Station auftaucht und die Sonne verdunkelt. "Wake Up" vollführt vorsichtige Suchbewegungen, "Entering Nostromo" zieht mithilfe zittriger Streicher und Harfenklängen allmählich die Daumenschrauben an. In seiner abgründigen Nervosität ähnelt das Lied sogar ein wenig an Goldsmiths Score zu "Basic Instinct". Und auch "Searching" überzeugt mit einer Kombination aus tiefen Blechbläsern und weiten Streicherteppichen.

Ein Höhepunkt folgt mit "There's Something In The Water". Auf der Suche nach Treibstoff sperrt sich Andy mit zwei Teammitgliedern versehentlich in einen Kühlraum ein, in dem zwei Dutzend Facehugger lagern. Diese tauen auf, schwimmen durch das knöcheltiefe Wasser am Boden und attackieren die Gefangenen im engen, blutrot beleuchteten Raum. Statt wie einst Goldsmith mit Didgeridoos und Serpents die Fremdartigkeit des spinnenartigen Wesens einzufangen, das seine Opfer quasi oral vergewaltigt, um Nachkommen in ihnen einzupflanzen, setzt Wallfisch auf elektronische Sounds.

"There's Something In The Water" klingt großartig disharmonisch. Verzerrte Synthesizer donnern mit äußerster Brutalität auf den Rezipienten ein. Mit seinen Industrial-Sounds nimmt Wallfisch den größtmöglichen Abstand zum sonst dominierenden orchestralen Feingeist ein und fängt die Überforderung der Protagonisten in ihrer klaustrophobischen Misere optimal ein. Der chaotische elektronische Score kehrt noch mehrfach wieder, mal in Verbindung mit pochendem Herzen im Dauerlauf über die Gitterböden ("He's Glitchy"), mal als wilde Raserei ("Run!"), mal metallisch verfremdet ("The Offspring").

"Alien: Romulus" hätte ganz dem geradlinigen Pfad des Body-Horrors folgen können, droht aber leider wie seine jüngeren Vorgänger zu entgleisen. Rain und ihrer Mitstreiter finden an Bord der Station einen lädierten Androiden, der für allerhand Erklärungen herhalten muss und vom "perfekten Organismus" des ersten Xenomorph "XX121" schwärmt. Es stellt einen weiteren Schritt der Technik-Dystopie von "Indiana Jones And The Dial Of Destiny" dar, denn für die Rolle des mittig zerrissenen Rook holen die Macher mittels CGI, Animatronic und Deepfake den verstorbenen Ian Holm von den Toten zurück.

Dieser tritt nun wie einst in Ridley Scotts "Alien" als sinistrer Androide auf, der sich ganz in den Dienst des ruchlosen Megakonzerns Weyland-Yutani stellt. Lausig animiert nennt Rook seine Erbauer "schlicht zu fragil, faselt von beschleunigter Evolution und fordert ein "dringend benötigtes und längst überfälliges Upgrade für die Menschheit". Der Film driftet damit zusehends in Richtung des überheblichen Mumpitz von "Prometheus". Und Wallfisch trägt dem auch Rechnung, indem er in "Prometheus Fire" auf die Partitur des Prequels des deutschen Komponisten Marc Streitenfeld zurückgreift.

Benjamin Wallfisch kann das alberne Finale zwar nicht abwenden, doch es gelingt ihn, sich abgesehen von nostalgisch Einsprengseln freizuschweben. "Indem ich in das musikalische Erbe von Horner und Goldsmith eintauchte, war es mein Ziel, den Ton der Vorgeschichte zu verkörpern und gleichzeitig durch eine Fusion aus elektronischen und traditionellen Orchestertexturen neue Elemente zu schaffen", erklärte der Brite gegenüber Variety. Am Ende kehrt auch für Rain die verdiente Ruhe ein. "Sleep" lässt sich schutzlos treiben und macht trotzdem deutlich, dass die Gefahr nie so ganz gebannt ist.

Trackliste

  1. 1. The Chrysalis
  2. 2. That's Our Sun
  3. 3. Wake Up
  4. 4. Entering Nostromo
  5. 5. Searching
  6. 6. There's Something In The Water
  7. 7. XX121
  8. 8. He's Glitchy
  9. 9. Run!
  10. 10. Prometheus Fire
  11. 11. Guns V Acid Blood
  12. 12. The Hive
  13. 13. Andy
  14. 14. Gravity Purge
  15. 15. Elevator Shaft Attack
  16. 16. Get Away From Her
  17. 17. The Offspring
  18. 18. Collision Warning
  19. 19. Raine
  20. 20. Sleep

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