laut.de-Kritik

Wer braucht schon Wüsten zum Rocken?

Review von

Was entsteht, wenn vier Skandinavier den Sound Palm Deserts für sich entdecken und ein Album aufnehmen? Die nächste Kyuss-Kopie? Nein: Herzlich willkommen im Tundrarock-Universum.

Statt Hitze, Schweiß, Sand und Sonne gibt es Frost, Yetis und ein paar Schneestürme. Black Book Lodge tragen zwar dieselbe DNA in sich wie ihre wüstigen Vorbilder. Sie schmeißen ihre Generator Partys jedoch nicht an irgendeiner Oase, sondern wandern von ihrer dänischen Heimat noch einige Breitengrade nach Norden.

Das Energielevel friert dabei zum Glück keineswegs ein. Im Gegenteil. Es knallt sogar deutlich mächtiger als in Sky Valley. Das liegt zum Teil sicherlich am starken Metaleinschlag. Eine Nähe zum Doom ist oft unüberhörbar. Insbesondere die alte Black Sabbath-Schule hat ihre Spuren hinterlassen – in Gesang wie Riffarbeit.

Black Book Lodge verbinden diese düstere Seite mit frühen Queens Of The Stone Age und deren Chill- und Fuck You-Attitüde. Heraus kommen Brecher wie das eröffnende "Battering Ram". Der Name bringt es auf den Punkt. Nach einem kurzen, psychedelischen Intro stößt der Rammbock mit voller Wucht zu. Einer Lawine gleich bricht die Gitarrenwand herein und zermalmt alles, was ihr in die Quere kommt.

Ähnlich geht es in "Black Sheep / Prodigal Sons" weiter, das sich allerdings im Refrain noch ein wenig eingängiger präsentiert. Melodien schweben durch eiseskalte Luft, bevor Jakob Gundel um seine Kessel wirbelt und zum zweiten Teil läutet. Hier mutiert das Stück zu einer leidenschaftlichen Jamorgie mit schickem Solo.

"Tûndra" ist ein beständiger Fluss an musikalischer Entwicklung. Gängige Songstrukturen braucht eh kein Mensch. Das Album ist ein Monstrum, schlackert mit seinen Extremitäten in der Gegend herum, beobachtet, reißt nieder und demonstriert seine Macht. Selbst Godzilla hätte hiervor Respekt. Spätestens jedenfalls, wenn das etwas zurückgefahrene "Thalassa" ansetzt, "The Call" einzuleiten. Ein anfängliches Aufbäumen, ein paar vermeintlich freundliche Homme-Vocals, dann bereiten die Sechssaiter den massiven Kahlschlag vor.

Das anschließende "Cripplegate" nimmt vorsorglich schon einmal ein bisschen Tempo raus und mündet in einen entspannten Titeltrack. Durch Percussion- und Halleinsatz erinnert das ruhige Stück sehr an Sabbaths "Planet Caravan". Nur die jazzigen Solotönchen fehlen. Dafür knarzt der Bass und Streicher bekränzen die triste Stimmung.

Der Tieftöner ist es auch, der gemeinsam mit hypnotisierenden Drums im Rausschmeißer "Empire" den weihräuchernden Zeremonienmeister gibt. Damit einem bei all dem mantraartigen Gestöhne nicht irgendwann berauscht die Äuglein zufallen, wecken Schlagzeugfills und die bekannten Gitarrenberge wieder auf. Letztere übernehmen ab der Mitte das Kommando. Ein Solo-/Gesangsdoppel schwillt an und führt zum letzten Höhepunkt, dann klingen Track und Album verträumt aus.

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Sleep schwängern QOTSA und setzen den Embryo Mastodon zur Leihmutterschaft ein. Alle Beteiligten ziehen ihn nach der Geburt in einer Drogenhöhle am Nordpol auf. Der Nachwuchs hört auf den Namen "Tûndra". Das Ding ist ein Monument!

Trackliste

  1. 1. Battering Ram
  2. 2. Black Sheep / Prodigal Sons
  3. 3. Pendulum
  4. 4. Lupus
  5. 5. Thalassa
  6. 6. The Call
  7. 7. Cripplegate
  8. 8. Tûndra
  9. 9. Empire

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