laut.de-Kritik

Prachtvolle, orchestrale Klangkulissen.

Review von

In den Niederlanden gelang Johannes Sigmond aka Blaudzun spätestens 2012 mit "Heavy Flowers" der Aufstieg zum Songwriter-Superstar seines Landes. Gold-Status und den Edison Award als bester Künstler, das holländische Pendant zum Grammy, staubte er mit seiner dritten Platte ab. In Deutschland ist er vor allem eifrigen Festivalgängern (Reeperbahn, Rolling Stone Weekender etc.) ein Begriff. Sein aktuelles Album "Promises Of No Man's Land" dürfte ihm nun den Weg in die CD- und Plattenspieler bzw. auf die PCs hierzulande ebnen.

Ziemlich klug gewählt scheint der Veröffentlichungszeitpunkt. Blaudzuns Songs bedienen sich, vereinfacht gesagt, an Elementen aus Folk, Pop, Rock und Singer/Songwriter. Daraus entwickelt er mit Hilfe von bis zu acht Gastmusikern prachtvolle, orchestrale Klangkulissen, in denen Streicher, Bläser und Trommeln Akzente setzen.

Das alles zwingt sofort eine Assoziation auf: Arcade Fire. Der Overkill an Begeisterung für die Kanadier hat sich gerade so weit gelegt, dass man sich bei deren bloßer Erwähnung nicht genervt abwendet, aber klingt noch genug nach, um Interesse zu wecken. Vielleicht nur Zufall, dass "Promises Of No Man's Land" ausgerechnet jetzt erscheint.

Doch Berechnung hin oder her, der Niederländer hat sich jedes bisschen Aufmerksamkeit verdient. Klar, ein Song wie "Too Many Hopes For July" koorientiert sich mit nach vorne preschenden Gitarren, zarten Chor-Summen und dem dauernden An- und Abschwellen der Instrumente schon etwas auffällig an Titeln von "The Suburbs". Und allgemein kommt man nicht darum herum, Parallelen zwischen Sigmonds und Win Butlers Gesang sowie den melancholischen Lyrics zu ziehen. Der Kritikpunkt wiegt jedoch nicht allzu schwer: Einen Track, der Arcade Fire das Wasser reichen und genauso mitreißen kann, muss man erst einmal schreiben!

Noch dazu hält Blaudzun nicht nur das hohe Niveau über das komplette Album, sondern bringt gleichzeitig so viel Komplexität und Abwechslung rein, dass ein Kopie-Vorwurf einfach nicht gerecht wird. Der fragile Opener "Euphoria" vereinnahmt mit schwingenden Gitarrenanschlägen und glasklarem Sopran-Gesang als schauriges Liebeslied, während der Titel-Track "Promises Of No Man's Land" direkt im Anschluss der amerikanischen Folkrock-Tradition folgt und sich mit seinen Entfremdungs-Lyrics in den Gehörgängen einnistet: "Our home feels like a foreign land / A land not safe from torment / The promises of no man's land".

Das Doppelpack "Hollow People" und "Kids Around (Hollow People Revisited)" unterstreicht den Ideenreichtum im Songwriting des Niederländers: Die sanften Chöre und Gitarren-Keyboard-Klänge aus "Hollow People" verwandeln sich im Folgetrack in hallende Synthesizer, hektisches Trommeln und untermalen so den lyrischen, zugegebenermaßen sehr Arcade Firesken Höhepunkt von einer Geschichte, die vielleicht von einem Familienstreit handelt: "Watch your mouth, the kids around, go fuck yourself". Nach so viel Emotion folgt Stille, eine kurze Verschnaufpause, ehe erneut ein großartiger Track auf den nächsten folgt, eingeleitet von dramatisch aufheulenden Streichern in "Wasteland".

In "Any Cold Wind (Sweet Selene)" wiegt Sigmonds Stimme, unterstützt von Xylophon und sanfter Akustik-Gitarre, wie ein Schlaflied vor sich hin. In "Streets Of Babylon" findet sich Platz für ein bisschen Social Media-Kritik ("ABCD, please retweet me", "Nothing beats the happiness of believing your own lies"), unter Trommel-Donner und düsteren Bläsern bricht in "Halcyon" ein imposanter Sturm los. Wie ein Schiffbrüchiger wandelt er in "Ocean Floor (From All The Stars)" mit Akkordeon und Bläsern auf den Weltenbummler-Pfaden Beiruts. "Wingbeat" verabschiedet sich als recht klassischer Indie-Folk, der sich in Richtung Fleet Foxes neigt.

Jeder einzelne Song auf "Promises Of No Man's Land" besticht mit ausgefeilten Arrangements mit Spannungsbögen, die an keiner Stelle abflachen. Im Schatten des großen Namens Arcade Fire braucht sich Blaudzun nicht zu verstecken. Im Gegenteil: Allen, denen der Rummel um "Reflektor" zu bunt geworden ist, bietet er Zuflucht in einem ebenso unerschöpflichen Klangkosmos.

Trackliste

  1. 1. Euphoria
  2. 2. Promises of No Man's Land
  3. 3. Too Many Hopes for July
  4. 4. Hollow People
  5. 5. Kids Around (Hollow People Revisited)
  6. 6. Wasteland
  7. 7. Any Cold Wind (Sweet Selene)
  8. 8. Streets Of Babylon
  9. 9. Halcyon
  10. 10. Ocean Floor (From All The Stars)
  11. 11. Wingbeat

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