laut.de-Kritik
Gott sei's getrommelt und gepfiffen!
Review von Sven KabelitzAls Bob Mould im "I Don't Know You Anymore"-Video Colin Meloy seine neuste 7''-Single in die Hand drückt, platzt es aus dem The Decemberists-Frontmann heraus: "Die Tage, in denen man einfach in einem Bus herum fährt, sind vorbei. Heutzutage musst du mit den Leuten kommunizieren. Du musst sie ständig bis zum Äußersten mit Updates zu deinen Alben und Shows bombardieren. Du musst es twittern, es auf Instagram, Tumblr und Facebook posten. Wenn du etwas verkaufen willst, musst du sie glauben machen, dass es ihr Leben besser machen wird, dass sie ohne es nicht leben können."
Aber seien wir ehrlich: Selbst wenn sich Mould ab heute im Netz zum Affen macht, seine Musik bleibt für immer knietief in den frühen 1990er stecken. Gott sei's getrommelt und gepfiffen!
Mit dem 2012 erschienenen Album "Silver Age" fand der ehemalige Hüsker Dü- und Sugar-Sänger zu alter Stärke zurück und verband frühe Direktheit mit späterem Pop-Zuckerguss. "Beauty & Ruin" folgt diesem Weg weiter, verhält sich jedoch wie "Beaster" zu "Cooper Blue". Es bildet, nicht zuletzt auf Grund des zwischenzeitigen Todes von Moulds Vater, den galligeren Bruder zum Vorgänger.
Mit "Low Season" startet "Beauty & Ruin" schleppend und schwerfällig. Donnernder Lärm, dessen schimmelige Launenhaftigkeit an "Black Sheets Of Rain" erinnert und der wie eine schwere Last auf Moulds Schultern liegt. "Pour the poison out / Drink the pain away / Chances that I wasted in my unforgiving days." Verzweifelt versucht sich eine Orgel durch die meterdicken Gitarrenwände zu kämpfen, scheitert aber kläglich. Die bissfesten "Kid With Crooked Face" und "Little Glass Pill" kehren zurück zu den zerreißenden Powerchords der späten Hüsker Dü. "I try, I try / Enough, enough, enough / I'm losing my mind."
Amtshalber unter eigenem Namen firmierend, findet Mould mit Bassist Jason Narcudy und Schlagzeuger Jon Wurster zunehmend zu seiner dritten funktionierenden Band-Reinkartanion. Mit der Single "I Don't Know You Anymore" gelingt ihm ein weiterer dieser dynamischen Punk-Songs mit farbenprächtigen Pop-Refrain, die der mittlerweile 53-jährige Sänger scheinbar jederzeit mühelos aus dem Ärmel schüttelt. Das luftige "Forgiveness" fährt das Tempo noch einmal deutlich herunter. Zu akustischer Gitarre und klimperndem Schlagwerk gelingt Mould eine schmusetuchweiche Melodie. "I come to you to ask for your forgiveness / I need to lift you up before I fall."
Aber nicht alles gelingt. Das käsige "Let The Beauty Be" geht schrecklich schief. Lieblos schrammelt sich Mould durch einen Blindgänger, der entfernt an ein trantütiges Cover des eh schon faden Foo Fighters-Track "Big Me" erinnert. Kurzzeitig möchte man Mentos nach ihm werfen.
"And this war we fought was violent and long / Weeks turned into years but we kept on keeping on." Das "Beauty & Ruin"-Herzstück bildet "The War". An seinem 53. Geburtstag geschrieben, setzt sich Mould ehrlich, intim und hartnäckig mit der eigenen Sterblichkeit und dem Tod seines Vaters auseinander.
25 Jahre nach seinem Solo-Debüt "Workbook" ist aus dem einst von Wut getriebenen jungen Mann längst ein befreiter Herr mit Bart, Brille und Mütze geworden. Trotzdem lebt noch immer der gleiche Idealismus in ihm. Wenn Bob Mould also "Listen to my voice / It’s the only weapon I kept from the war," ("The War") singt, lügt er uns, ohne mit der Wimper zu zucken, mitten ins Gesicht. An Abrüstung denkt er noch lange nicht.
3 Kommentare
da ich zumindest die frühphase von hüsker dü ziemlich geil fand, werd ich da auf jdf mal reinhören.
kann ich alles unterschreiben. ohne moulds und hüskers 80er pionierarbeit weder nirvana, grunge noch zahlreiches anderes der 90er und danach.
mein ganz persönlicher höhepunkt seiner alben ist die finstere dampfwalze "black sheets of rain" v 1990
& als song das wundervolle "sacrifice". fand ich sogar ncoch besser als das auch tolle "copper blue". der bob braucht auch mal nen meilenstein, eh?
Inzwischen sieht Mould aus wie der andere Bob: Balaban.