laut.de-Kritik
Damon Albarn reanimiert den Last Soul Survivor.
Review von Sven Kabelitz"I got a story I want to tell / Gather round me boys and girls." Im Schneidersitz sitzen wir um den alten Krieger, dem weder Drogensucht noch persönliche Tragödien besiegten. Mit offenen Mündern saugen wir jedes seiner Worte auf. "The bravest man in the universe / Is the one who has forgiven first." So einfach, so wahr.
Unzählige Jahre war Bobby Womack weg vom Fenster. Unter welchem Stein er sich genau verschanzt hat, ist nicht überliefert. Doch eines Tages kam ein freundlicher Engländer in seinen mittleren Jahren des Weges. Damon Albarn fand in dem alten zornigen Badass Womack einen abgewetzten Diamanten. In "Stylo" und "Cloud Of Unknowing" auf dem Gorillaz-Album "Plastic Beach" unterzog er ihn einer Reinigung und hielt das Resultat gegen das Licht. Immer noch geht ein Funkeln von Womack aus, dem man sich schwer entziehen kann.
Die Zusammenarbeit verlief so gut, dass sie nun in "The Bravest Man In The Universe" gipfelt. Damit hat das vermeintliche Fähnlein Fieselschweif-Mitglied Albarn nach dem eher enttäuschenden "Dr Dee" und den lauwarmen Rocket Juice And The Moon seine gute Tat für dieses Jahr vollbracht. Mit ganzem Herzblut. "Ich wusste, dass er es ernst meint, weil er viele dieser Songs eigentlich für ein neues Gorillaz-Album geschrieben hatte. 'Ich gebe dir alles, was ich habe und noch mehr', sagte er zu mir." Wer könnte es besser in Worte fassen, als der beschenkte Bobby Womack?
Für den Hauptteil der Produktion zeichnet neben dem ehemaligen Blur-Sänger Richard Russell verantwortlich. Vor zwei Jahren half dieser bereits Gil Scott-Heron mit "I'm New Here" in die Gegenwart. Der Boss von XL Records ließ es sich auch nicht nehmen, an den Aufnahmen zu "The Bravest Man In The Universe" teilzuhaben. "Ich dachte, es wäre einer von Damons Freunden. Ich hatte keine Ahnung, dass das der Präsident der Plattenfirma ist", erinnert sich Womack. "In meinen fünfzig Jahren in der Musikbranche war noch keiner von denen gekommen, um mit mir zu spielen. Normalerweise muss man mit ihnen um jedes gottverdammte Lied kämpfen."
Das Ergebnis, ein Miteinander aus verhärmter Stimme, Soul, flirrender, abgehakter Elektronik und akustischen Gitarren, kommt fast einem Triumph gleich. Ohne eintönig zu werden baut "The Bravest Man In The Universe" eine durchgehende Atmosphäre auf. Einzig der Durchhänger "Love Is Gonna Lift You Up" mag so gar nicht in dieses Gewand passen.
Durch den Titeltrack schleicht sich das Echo eines Klaviers wie die Erinnerung an das bisherige Leben des "Last Soul Survivors". Streicher setzen ein und stellen klar, dass ihr Name "The Demon Strings" nicht von irgendwoher kommt. Die ungewohnte Umgebung aus Beat, Bass und Breaks steht Womack empörend gut zu Gesicht.
Einer Zugfahrt durch die Nacht gleicht "Whatever Happend To The Times". Die kaum vorhandenen Beats hämmern wie Zugwagons gegeneinander. In den zerbrochenen Melodien zwischen Womacks Gesang ist am deutlichsten der Einfluss Albarns zu spüren. Den beiden von Wissen und Melancholie durchtriebenen "Please Forgive My Heart" und "If There Wasn't Something There" stellt "Deep River" den einzigen kompletten Kontrastpunkt des Longplayers gegenüber: ein Traditional, klassisch nur zur Gitarre vorgetragen, ein wenig verloren zwischen seinen fiepsenden elektrisierenden Geschwistern und Bastarden, doch um so eindringlicher.
"Stupid" beginnt mit einem unerwarteten Gast: Gil Scott-Heron. Ein Gänsehautmoment. Mit wenigen Worten nimmt er zielsicher und pointiert eine ganze Branche auseinander. "He came on television and told everyone he had seen god / And god told him to raise eight million dollars / God was broke." Unter dem Deckmantel des wohl zugänglichsten Stücks auf "The Bravest Man In The Universe" folgt eine garstige Abrechnung mit Fernsehpredigern.
"Dayglo Reflection", ein Duett mit Lana Del Rey, bleibt leider ein wenig hinter seinen Möglichkeiten zurück. Eingeleitet mit einem altweisen Sample von Sam Cooke folgen ganze vier Zeilen von Bobby Womack, bevor Del Rey das Ruder für die restlichen drei Minuten in die Hand nimmt. Es bleibt ein immer noch achtbarer Song, der aber die Möglichkeit, diese beiden so unterschiedlichen Stimmen aneinander aufzureiben, achtlos verschenkt.
Seltsamerweise geht das gleiche Konzept im später folgendem "Nothin' Can Save Ya" auf. Fatoumata Diawara war bereits bei "Rocket Juice And The Moon" an Bord der Raumkapsel. Nun stellt sie ihre gezeichnete Stimme dem tiefsten Bass des Albums und einem Donald Duck-auf-LSD-Refrain zur Seite.
Die Reanimation des Bobby Womack ist gelungen. Selbst eine Krebserkrankung konnte ihn nicht stoppen. Er hat sie überstanden, wie schon so vieles in seinem Leben. Eine weitere Geschichte, die er uns nun erzählen kann. Wir werden uns wieder um ihn versammeln und Maulaffen feilhalten.
3 Kommentare
Welcome back. Rezi macht Bock auf Reinhören.
Ich hab das Album schon und es ist fantastisch!
So muss RnB in unserer Zeit klingen.
Kann der Kritik hier nichts mehr hinzufügen.
Auf Lana Del Rey im Duett hätte man gut und gerne verzichten können. Sie ist so belanglos und kann sich nicht mit Bobby Womack messen.
Ganz grosses Kino das Album. ***** Sterne von mir und hat sich schon eine Top 10 Platzierung in meinen Jahres Best-Of Charts ergattert.
heute angekommen und fasziniert vom ersten durchlauf an.
wirklich sehr abwechslungsreich, stimme und produktion harmonieren großartig!
tipp von mir: unbedingt die vinyl-version kaufen, wenn man einen plattenspieler zuhause hat. selten eine bessere aufmachung einer lp gesehen (cover zum aufklappen, toll gestaltete farbfotografien, platte mit xl-dicke und beigelgte cd des albums)