laut.de-Biographie
Bonaparte
Einer der zahlreichen Herkunftsorte der Gruppe Bonaparte ist St. Helena, weiß deren Facebook-Auftritt. Ein kleiner Spaß für Geschichtskundige, schlug doch Frankreichs gleichnamigen Kaisers letztes Stündlein einst auf besagter Südatlantikinsel.
Tatsächlich handelt es sich bei der Band um ein Performance-Kollektiv aus Deutschland, Frankreich, Schweiz, Österreich, Polen, Panama, Neuseeland und Brasilien. Acht Länder, acht Personen.
2006 als Idee in Barcelona geboren und angeführt von Tobias, einem Schweizer Vagabunden mit schwarzem Auge, siedeln Bonaparte nach Berlin um, sammeln Gleichgesinnte am Wegesrand auf und spielen mit Laptop und Gitarre erste Gigs im tiefsten Hauptstadt-Underground.
Diese theaterähnlichen Happenings sprechen sich auch deshalb zügig herum, weil die Protagonisten ihrer Arbeit gerne maskiert und halbnackt nachgehen. Das Publikum soll bei der Gaudi natürlich nicht außen vor bleiben. Wer auf Fragen wie "Hast du schon einmal geträumt, eine Bockwurst mit einem Discokugel-Kopf zu sein? Oder ein paranoider Fruchtsalat?" überzeugende Foto-Antworten parat hatte, wurde von der Band als Gasttänzer in der jeweiligen Heimatstadt der "Circus Show" betitelten 2008er Tour auserkoren.
In jenem Jahr hat sich die Bonparte-Party längst zum Berliner Label Staatsakt (Die Türen, Ragazzi) herumgesprochen, die dem komplett in Eigenregie aufgenommenen Debütalbum "Too Much" mit 15 kaiserlichen Electropunk-Brocken ihre Unterstützung anbieten.
Angeführt vom Revoluzzer-Hit "Anti Anti", der 2010 den Soundtrack der Komödie "13 Semester" ziert, vergrößert sich der Bekanntheitsgrad allmählich auch in der Republik. Das Ausland setzte den Zweispitz bereits in Gestalt von Quentin Tarantino und dem Montreux Jazz Festival zum Tanz auf.
Inhaltlich ist man in jedem Fall, ob betont hedonistisch oder obrigkeitskritisch, erst mal dagegen. Auch hier bietet "Anti Anti" beste Einblicke in Bonaparte'sche Weltanschauungen: "They are the millionaires and we are broke / they make a statement, well it's gotta be a joke / they drive a limousine and we ride a bike / they own the factory but we're on strike".
Musikalisch setzt das Zweitwerk "My Horse Likes You" 2010 den wilden Ritt durch die Genres fort. Elektro-Punk, Synthie-Pop oder doch Jazz?! Streich Nummer drei "Sorry, We're Open" führt den Bonaparte-Wahnsinn wieder zwei Jahre später erfolgreich weiter. Die Freaks provozieren weiterhin nicht nur mit dem Bruch musikalischer Konventionen. Ihre Liveshows bleiben mit das spektakulärste Ausdrucksmittel der internationalen Truppe.
2014 lösen sich Bonaparte für "Bonaparte" komplett von ihrem Party- und Trash-Image und Tobias Jundt fliegt in die Staaten, um dort ein wesentlich schwermütigeres Album aufzunehmen. Auch der Nachfolger "The Return Of Stravinsky Wellington" zeigt sich um einiges nachdenklicher.
Bonaparte bleiben weiter fleißig und zwei Jahre später folgt "Was Mir Passiert". Dafür ist Jundt an die Elfenbeinküste gereist, um mit den lokalen Musikern und einer ganzen Armada an Gastmusikern (Bela B, Farin Urlaub, Sophie Hunger) neue musikalische Wege zu gehen. Dieses Mal setzt er vor allem auf Afrobeats und die Texte des Albums sind (beinahe) komplett auf Deutsch.
Konventionen brechen, Aufstände (textlich) niederschlagen, Befreiungskriege (textil) anzetteln und dafür reichlich Zustimmung im Volk ernten - Bonaparte sind tatsächlich auf einer Art Napoleonischem Kreuzzug. Dass der mal auf St. Helena endet, ist eher unwahrscheinlich, schließlich waren sie da schon. Aber vielleicht auf den Kokosinseln? Zumindest führt die Bonaparte-Homepage deren landesspezifische Internet-Domain.
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