laut.de-Kritik
Will Oldhams Hommage an Merle Haggard.
Review von Giuliano BenassiWill Oldham hat aus seiner Verehrung für Merle Haggard nie ein Geheimnis gemacht. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt spielte er ein Lied des Country-Barden aus Kalifornien. Im Laufe seiner Karriere hat er immer wieder aus dessen Werk geschöpft, im Studio und auf der Bühne. Für das 2009 eingestellte Magazin Filter sprachen Sie gemeinsam am Telefon, Haggard sang Oldham sogar ein Lied vor.
Nicht weiter verwunderlich also, dass Oldham alias Bonnie 'Prince' Billy nun ein ganzes Album mit Stücken Haggards aufgenommen hat. Oder besser mit Stücken, die auch Haggard aufgenommen hat, denn nicht alle stammen aus dessen Feder. Eine Handvoll Lieder aus dem umfangreichen Oeuvre zu fischen sei schwierig gewesen, gibt Oldham zu. Gleichzeitig sei es ein Genuss gewesen, sich durch die Jahrzehnte und 47 (!) Alben zu hören und eine Auswahl zu treffen.
Eine Hitsammlung ist dabei nicht herausgekommen. Natürlich, möchte man hinzufügen. Auch wenn "The Fugitive" 1966 Haggards erster Nr. 1-Hit in den Country-Charts war und mit "That's The Way Love Goes" (1983) ein weiterer Chart-Topper vertreten ist. Kein "Okie From Muskogie", "The Bottle Let Me Down", "Reasons To Quit", "Mama Tried" oder "Workin' Man Blues".
Macht nichts, denn so inspiriert und einfühlsam hat sich Oldham schon lange nicht mehr angehört, auch wenn der Tod Haggards im April 2016 ihn ziemlich niederriss. Den Plan, das Album im Studio in Nashville aufzunehmen, verwarf er. Schließlich trommelte er einige Freunde zusammen und spielte die Stücke im Wohnzimmer ein.
Fröhlich muss es da zugegangen sein. Und beengt, angesichts einer Teilnehmerliste von zehn Musikern, unter ihnen Kumpel Matt Sweeney. Mit dabei waren neben der unvermeintlichen Akustikgitarre auch Bass, Schlagzeug, erstaunlicherweise wie wirksam Bläser, Fiddle und mehrere Sängerinnen, mit denen Oldham ungewohnt gut harmoniert. Wer seine Stimme der letzten Jahre gewohnt ist, immer brüchiger und weinerlicher, wird sie im Opener kaum wiedererkennen, so zuversichtlich klingt sie.
Reiner Country oder Folk sind hier nicht zu hören, die Arrangements muten stellenweise sogar jazzig an. Die Tracklist springt von einem Jahrzehnt zum nächsten und wieder zurück, Balladen wechseln sich mit schnelleren Stücken ab. Auch wenn 16 Lieder eine Ansage sind und sich beim Hören nach einer Weile eine Gefühl der Sättigkeit ausbreitet, ist "Best Troubador" tatsächlich das inspirierteste Album Oldhams in den letzten Jahren.
Dass er noch mehr Lieder hätte drauf packen können, zeigt sich am 360°-Video, das er zum hier nicht vertretenen "Mama Tried" gedreht hat. Und an seiner Antwort in einem E-Mail-Interview mit der Seite never-nervous.com aus seiner Heimatstadt Louisville, Kentucky. Welcher Song Haggards ihn gerade am meisten beschäftige, so die Frage.
Oldham klebte den Text von "The Immigrant" ein. "American ranching consists of a mansion / Where illegal immigrants do much of the labor by hand / They sneak 'em through customs till time comes to bust 'em / Then haul 'em back over the border to their own native land". So lautet die erste Strophe des Stücks von 1989. Zeitlos traurig. Und leider zeitlos zutreffend.
1 Kommentar
geiles teil! RIP merle