laut.de-Kritik

Deutscher Dream-Pop mit eigenartig schöner Tiefe.

Review von

Wenn die Leute auf einem Konzert der Goldenen Zitronen anfangen, den Song "Wenn Ich ein Turnschuh Wär" ekstatisch zu feiern, mitzuklatschen, dazu die Biere schwenken: Was ist dann eigentlich falsch gelaufen? Und wen bitteschön soll man dafür an den Pranger stellen? Die Goldies etwa, oder die Masse, diese ewigen Nixchecker_innen? Ist das am Ende nicht einfach der Beweis, dass es egal ist, selbst wenn die Guten Musik für die Guten machen? Fragen, die sich hinsichtlich der politischen Wirkung von Musik aufdrängen.

Das Debüt-Album von Botschaft liefert keine Antwort auf dieses Dilemma. "Musik Verändert Nichts" heißt die Platte der Band aus Hamburg und Berlin, was für die Pop-Linke zunächst einmal ganz schön desillusionierend klingen muss. Lässig paradox, dieser Titel, suggeriert er eine grundsätzliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Verhältnis von Pop-Musik und Politik. Genau jene Verbindung, der in letzter Zeit seitens vieler Künstler_innen wieder eine große Wirkmacht zugesprochen wurde: Dass Musik halt doch als Träger von Ideen politische Meinung beeinflussen könne, jetzt erst recht sogar müsse, wie es auf "More Than A Feeling" bei den zur offenen Agitation neigenden Mit-Hamburgern heißt.

Botschaft sind nicht unpolitisch, sie suchen sich nur geschickt ihre Zwischenräume, "Hinter Dem Haus" oder "Zwischen Den Jahren". Die Texte von Sänger Malte Thran sind sperrig für die Art von Dream-Pop und Yacht-Rock, den Botschaft fabrizieren. Allerdings sorgt dies mit dem sehr guten Songwriting und der hellen Stimmfarbe Thrans dafür, dass selbst an sich unhandliche Zeilen wie "Sozialisiert In Der BRD" zur Trägersubstanz für den gleichnamigen, kleinen Hit werden.

Musik wie die von Botschaft existiert derzeit im deutschsprachigen Raum kaum. Vom ersten Takt an fühlt man sich eher an Real Estate oder Rolling Blackouts Coastal Fever erinnert. Ebenso wie die Australier vertrauen Botschaft auf den Zusammenklang dreier Gitarren, was in ebenso verträumten und dichten wie minimalistischen Sounds mündet. Hier und da ein kleines Gitarrensolo, ein kleines Lick, aber stets angenehm platziert.

Das Stück "Atom" stellt den wundervollen Mittelpunkt des Albums dar. Während Bass und Schlagzeug sich melancholisch treiben lassen, streut die Gitarre energisch ihre Melodien ein, bis dann der Gesang einsetzt: "Alle sind sie frei und gleich / jedes zählt so viel wie die anderen." Schöner kann man über Beziehungen in der Welt eigentlich kaum singen.

Musik verändert also nichts? Davon sei er überzeugt, sagte Thran neulich im Interview mit dem Deutschlandfunk. Botschaft machen auf ihrem Debüt daher einiges anders als vergleichbare deutschsprachige Bands: Sie muten den Hörer_innen Musik mit eigenartig schöner Tiefe zu, anstatt plump Haltung vorzubeten. Ein Raum für die Reflexion unserer Zeit in der Pop-Musik – vielleicht nichts, was gesellschaftliche Veränderungen unmittelbar herbeiführt, aber genau das, was Kunst in dieser Zeit leisten kann.

Trackliste

  1. 1. Schöne Idee
  2. 2. Treptower Park
  3. 3. Hinter Dem Haus
  4. 4. Zwischen Den Jahren
  5. 5. Herrschaftsfrei
  6. 6. Atom
  7. 7. Niederlage
  8. 8. Daseinszweck
  9. 9. Sozialisiert In der BRD
  10. 10. Trotzdem

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