laut.de-Kritik
Wohlklingender Wahnsinn und die Süße der Verzweiflung.
Review von Vicky ButscherDie Bright Eyes machen es dem Hörer nicht leicht. Der Einstieg ihrer Platten ist meist extrem leise, Songstrukturen sind zu Beginn nicht zu erkennen. So auch auf "Digital Ash In A Digital Urn". "Time Code" klingt wie die Eröffnungsmelodie zu einem Film, der von unterschwelligen Grausamkeiten handelt. Ein atemloses Hauchen zu Orgelharmonien empfängt den Hörer - "until you're out of breath". In diesen bedrückenden Klangteppich singt Conor Oberst mit viel Hall auf der Stimme, bis diese in völliger Verfremdung aufgeht. Die präzisen Elektronika, die anschließend einsetzen, geben den Ton des Albums vor – nicht jedoch die gedrückte Stimmung.
Denn schon "Gold Mine Gutted" lässt mich auf dem federleichten Synthie-Beat und der träumerischen Keyboard-Melodie schweben. Das Klagende in seiner Stimme hat Conor hingegen auch hier nicht abgelegt: "Let's have a nice, clean cut", stöhnt er über die Schwere des Lebens.
Der erste künstlerische Wahnsinns-Schlag rollt mit "Arc Of Time" auf den Hörer zu. Was für ein Beat: vollkommen in sich ruhend und doch voller aufregender Breaks und Tempowechsel. Doch den Strom des Songs können sie nicht aufhalten. Dazu sind die zurückhaltenden Instrumente und der dominante Gesang zu stark. Die Bright Eyes zeigen hier, wie man folkloristische Elemente glänzend mit elektronisch-frickeligen Anleihen mischt.
Ein weiteres Goldstückchen folgt mit der wahnwitzig verschachtelten Singleauskopplung "Take It Easy (Love Nothing)". Die Band fügt Spuren zusammen, nur um sie kurz darauf wieder auseinander zu reißen, den Song auszudünnen und dann einen neuen Anlauf zum Höhepunkt – einer Versammlung der verschiedensten Instrumente – zu nehmen.
Die Bright Eyes vertonen einmal mehr die Süße der Verzweiflung - "At least I exist – what could mean more than this?". Morbide Texte reihen sich an brüchige Liebeserklärungen: "Something lovely that bloomed in your beautyful mind". Mit den übers Album verstreuten, teils rasenden Tempowechseln und verschiedensten, ungewöhnlich zusammengesetzten Instrumentierungen, stellen die Bright Eyes Stimmungen präzise und tief dar. Nur um im nächsten Moment in eine andere Gefühlslage umzuschwenken.
All diesen wohlklingenden Wahnsinn hält - hier wie auf dem parallel erscheinenden "I'm Wide Awake It's Morning" - ein so schwach und schmächtig wirkendes Milchgesicht zusammen. Conor Oberst leitet die Band nicht nur mit seiner warmen, leidenden Stimme, die immer ein wenig breit getreten klingt, sondern vor allem mit seinem künstlerischen Genie. So schaffen die Bright Eyes ein vollkommen heterogenes Album, das in sich einen Nenner, einen Ruhepunkt, findet.
"But if you stay too long inside my memory/I will trap you in a song tied to a melody/And I'll keep you there so you can't bother me."
1 Kommentar
wahnsinn wie viel spaß diese platte macht! eines der besten alben des jahrzehnts!