laut.de-Kritik
Ein Schmelztiegel voller Industrial.
Review von Ulf KubankeYello-Mitbegründer Carlos Peron hatte schon immer zwei widerstreitende Seelen in seiner Brust: Groovy Blackmusic und knochigen Industrial! Die Fusion dieser ungleichsten aller musikalischen Brüder konnte man erstmals auf dem maschinellen Dancefloorklassiker "The Bostich" vom 1980er Yello-Debüt "Solid Pleasure" bewundern. Heute spielt er beide Stärken lieber getrennt aus. Nach der jazzig schwitzenden Miles Davis-Hommage "Miles Of Peron" im letzten Jahr gibt es nun auf "CPRI" einen Schmelztiegel voller Industrial. Gefangene werden nicht gemacht.
Endlich ist er fürs Erste heraus aus der - zwar gut gemachten aber stilistisch einengenden - S&M-Soundtrack-Ecke, die den Schweizer zuletzt doch arg auf ein parfümiert klingendes Lack und Leder-Klischee zu reduzieren drohte. Bei dieser Platte ist allein schon der Name Programm: CPRI steht für Carlos Peron Rex Industrialis - keine Aufschneiderei, sondern bewusster Hinweis auf die eigene Pioniertätigkeit auf diesem Gebiet. Bereits Anfang der 80er lieferte der Schweizer auf "Die Schwarze Spinne" Tracks, die den Faden von Cabaret Voltaire / Throbbing Gristle weiter sponnen, sowie den Elektrorock der späteren Ministry vorweg nahmen.
Genau an diesem Punkt setzt "CPRI" ein. Kein alter Wein in neuen Schläuchen, sondern eine Fortführung der Idee mit gänzlich anderen Mitteln. Hier trifft die pure Trostlosigkeit eines nächtlichen Industriegebietes auf typisch peronistische Klanglandschaften Marke Ambient, Trance und Artverwandte. Diese ganz eigene Mischung aus nervenzehrender Tristesse und feurig lodernder Leidenschaft macht den Reiz der sieben Stücke aus.
Obwohl jedes Lied ganz und gar eigenständig für sich steht, entfaltet "CPRI" seinen vollen Charme insbesondere dann, wenn man die Musik chronologisch als elektrische Symphonie aus Hammer, Amboss und Stromkreis hört. Die ersten drei Stücke - "Magnetar", "Hochofen Acht" und "Middle Of Meddle" - gerinnen dabei zu einem einzigen, in sich verschachtelten Song.
Ihre Fabrikgeräusche mutieren zur Alptraumlandschaft und gebären dennoch verhaltene Lebenszeichen von Schönheit. Mal als zarter Rhythmus, dann als hintergründig durchschimmernde Soundscapes. Besonders das starke Thema, das sich aus der Kreissäge von "Hochofen Acht" schält, ist ein echter Bringer.
Das folgende Duo "Musik aus Strom" und "Yellostrommusik Im Klub" vollzieht danach die totale Kehrtwende hin zum Dancefloor. Dynamisch und klangfarbenreich verweisen beide Tracks nicht nur dem Titel nach auf Perons zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Beitrag zu den musikhistorisch bedeutsamen ersten drei Yello-Platten. Minimalistisch, repetitiv, polyrhythmisch und zutiefst hypnotisch befreien sich die Stücke vom unheilvollen Industrial-Mantel. Glechzeitig verkörpern sie ein fettes Hinweisschild auf Perons tatsächliche künstlerische Yello-Rolle, analog Eno bei Roxy Music oder Brian Jones bei den Rolling Stones: wichtig, aber im Nachhinein echnatonisiert.
Nach diesem kleinen, aber deutlichen Seitenhieb auf ehemalige Gefährten folgt der eigentliche Höhepunkt der Scheibe. Das Kernstück "Planet Of Apes" lässt alle Farbengeilheit der vorherigen Viertelstunde erneut im Herzen der Finsternis versinken. Diesmal jedoch viel majestätischer und wuchtiger. Wie ein schwarzes Loch saugt dieser Klangkörper des Grauens Fetzen von Instrumenten und Vocals auf.
Einmal mehr dreht Perons Klangwelt sich höchst faszinierend weiter. Aus den Trümmern erhebt sich ein dunkler Rhythmus und eine wehklagende Stimme gießt ihre Pein über das verwüstete Musikfeld. Am Ende geht alles in einer Symphonie aus Störgeräuschen unter.
Mit "CPRI" ist Peron endlich wieder dort, wo er künstlerisch längst hingehört: auf dem Gipfel der Kreativität.
1 Kommentar
Klingt wie ein mittelmäßiges Daphni-Release. Weniger der König des Industrial und vielleicht eher der Stolnik des Stahlwerks
...wobei die beiden Tracks mit "Musik" im Titel tatsächlich verdammt amtlich sind, das unterschreibe ich gern. Der Bonustrack "Sol-Sync" geht ebenfalls klar