laut.de-Kritik

Intensives Fantasy-Wunderwerk vom isländischen Fabelwesen.

Review von

Konzerte im Kino nachzuholen, ist mittlerweile ein lukrativer Trend: David Gilmour "Live At The Circus Maximus, Rome", Coldplays "Moon Music" oder "Taylor Swift: The Eras Tour" waren allesamt Kassenerfolge. Die Lichtspielhäuser dieser Welt reiben sich die Hände, und Florian Vorraber, Head Of Marketing bei Cineplexx erklärte die Erfolge so: "Konzertfilme im Kino zu schauen, ist fast so, als wäre man wirklich dabei - nur ohne Gedränge, verschüttete Kaltgetränke, lange Warteschlangen oder Sichteinschränkungen durch Smartphones".

Also ein bisschen wie Sex ohne Schweiß und Intimität? Das Live fehlt eben im Konzept Konzertfilm, was aber nicht heißt, dass dennoch jede Menge atmosphärisches Gefühl und akustische Brillanz transportiert wird. Gleichzusetzen mit dem Erlebnis eines Konzertbesuches ist es jedoch nicht.

Wer aber alle nervigen Nebengeräusche und Nebeneffekte inmitten einer schwitzenden Menge sowieso nicht haben möchte, dem sei die aufpolierte Variante Konzertfilm samt Live-Album empfohlen. Besonders perfektionistisch ist dieses Unterfangen natürlich Björk gelungen, deren "Cornucopia Live" auf drei LPs oder zwei CDS samt DVD oder Blu-ray ein so immersives wie intensives visuelles und akustisches Ereignis verspricht und dieses Versprechen auch einlöst.

Live in Lissabon 2023 aufgenommen mit einer Setlist, die Songs von ihren Anfangszeiten bis hin zu den visionären Spätwerken wie dem bis dato letzten Album "Fossora" (2022) enthält. "Cornucopia Live" als ambitioniert zu beschreiben, ist die Untertreibung schlechthin. Björk entwirft hier nichts weniger als ein Gesamtkunstwerk aus Avantgarde und Utopie, das den Wunsch nach einer besseren Welt in sich trägt.

Der Name "Cornucopia", abgeleitet vom lateinischen Begriff für das mythische Füllhorn, spielt bereits auf einen magischen Überfluss und eine mäandernde Überforderung an imaginären Pflanzen, Tieren und Klängen an, der sich während der Aufführungen entfaltet. Unterfüttert mit dem philosophischen Thema Natur im Einklang mit Emotion und Technik) setzt sie ihre Vision visuell (bei jedem Konzert trägt sie ein eigens dafür designtes Kostüm sowie diverse Fantasy-Gesichtsmasken das Bühnenbild gleicht einer Theaterlandschaft aus dem 19. Jahrhundert) und akustisch (wir hören Field-Recordings sowie folgende Mitmusiker: Multiinstrumentalist Bergur Þórisson, Schlagzeuger Manu Delago, das Flötenseptett Viibra, die Harfenistin Katie Buckley und den Hamrahlid-Chor) um.

So entsteht ein surreales, spezifisches Björk-Universum, das jedoch konkret im Universum des Hier und Jetzt verankert ist, wenn die isländische Ikone immer wieder zu politischem Aktivismus in Sachen Klimaschutz aufruft. Ach ja, Musik gibt es ja auch noch. Und die ist auf "Cornucopia Live" nicht minder detailbesessen, akribisch und glasklar – der leise gemischte Applaus im Hintergrund ist der einzige Hinweis, das man es hier mit einem Live-Album zu tun hat. Dass Björks oft sperrige Songs hier dennoch dermaßen organisch fließend und emotional packend sind, ist fabelhaft schön und gelingt wohl auch nur diesem isländischen Fabelwesen.

Trackliste

  1. 1. Family (intro)
  2. 2. The Gate
  3. 3. Utopia
  4. 4. Arisen My Senses
  5. 5. Ovule
  6. 6. Show Me Forgiveness
  7. 7. Isobel
  8. 8. Blissing Me
  9. 9. Arpeggio
  10. 10. Body Memory
  11. 11. Hidden Place
  12. 12. Mouth's Cradle
  13. 13. Victimhood
  14. 14. Fossora / atopos
  15. 15. Features Creatures
  16. 16. Courtship
  17. 17. Pagan Poetry
  18. 18. Losss
  19. 19. Sue Me
  20. 20. Tabula Rasa
  21. 21. Notget
  22. 22. Future Forever

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