laut.de-Kritik

Größe steckt nicht in Dezibel, sondern in Haltung.

Review von

David Gilmour hat es selbst gesagt: "Es war mir alles zu robotisch". Also weg mit den Pink Floyd-Museumswärtern, her mit einer Band, die atmet. Und das spürt man sofort: "The Luck And Strange Concerts" ist keine One-Man-Floyd-Show, sondern ein echtes Soloprojekt. Es legt den Fokus auf das neue Album, verzichtet aber natürlich nicht auf die Fanlieblinge, die halbe Stadien zum Heulen bringen.

Zum Glück redet Gilmour deutlich weniger als sein Ex-Kollege Roger Waters, der sich weiterhin als One-Man-Pink-Floyd inszeniert, sich aber gleichzeitig davon lossagen will – und dann wieder nicht, weil angeblich die geldgeilen Manager rufen. Gilmour verzichtet auf Propaganda, Meinungsmache und das Dauermeckern. Wer "Wish You Were Here" live erleben möchte, ohne vorher ein halbstündiges Politikseminar zu überstehen, ist hier goldrichtig.

Das Album beginnt ruhig mit "5 A.M.", einem Instrumental, das zeigt: Gilmour braucht kein bombastisches Intro, um Eindruck zu machen. "Black Cat" führt das fort – jede Nuance sitzt, jede Feinheit hat Bedeutung. Der Titeltrack "Luck And Strange" holt dann endlich auch den Rest der Band ab. Gilmours Gesang ist nicht perfekt, aber er trägt Würde in jedem Wort. Dann kommen die Klassiker. "Breathe (In The Air)" schwebt, "Time" kracht – und plötzlich wird das Publikum Teil des Arrangements. Gilmour versteht den Aufbau einer Spannungskurve noch immer meisterhaft. "Fat Old Sun" zeigt seine gesanglichen Grenzen, aber die Gitarre löscht jeden Makel aus. "Marooned" erinnert wiederholt daran, dass Gilmour auch ohne Worte ganze Universen erschaffen kann.

Wenn man schon glaubt, Gilmour hätte vergessen, dass es auch ein neues Album zu promoten gibt, kommt "A Single Spark". Leider driftet der Song bekanntlich etwas ins Altmänner-Erzählerische ab – ein kleiner Downer zwischen den Giganten. Dafür entschädigt das folgende "Wish You Were Here" um so mehr: Doppel-Akustik-Gitarren, das berühmte Intro, Gänsehaut. Nur schade, dass auch hier gefühlt jede zweite Hand im Publikum ein Handy hält.

Danach das Interlude "Vita Brevis" und das Highlight "Between Two Points". Tochter Romany Gilmour liefert eine solide Performance – kein Show-Off, eher ein zarter Generationenmoment.

"High Hopes" klingt noch immer bedrohlich schön, "Sorrow" webt die Gitarrenwände so eng, dass man fast glaubt, sie könnten den Raum abdichten. Doch gegen diese Pink Floyd-Monolithen wirken neue Stücke wie "The Piper's Call" naturgemäß blasser – charmant, aber im Set leider etwas belanglos.

"The Great Gig In The Sky" kommt deutlich reduzierter, ihm fehlt ein wenig die Studio-Ekstase. "A Boat Lies Waiting" wirkt fast meditativ – wie der Soundtrack beim gemütlichen Minecraft-Hausbau.

Dafür zieht "Coming Back To Life" wieder alle Register: Gilmours Gitarre singt, weint, jubelt. Mit "Dark And Velvet Nights" zeigt er, dass er auch 2024 noch rocken kann, ohne in Selbstparodie zu verfallen. "Sings" und "Scattered" liefern zum Schluss solide Werbung fürs neue Material, bevor – natürlich – "Comfortably Numb" alles überstrahlt. Keine Waters-Schauspielerei, kein Pathos, nur ein Solo, das wieder alles gibt und alles erreicht.

Was Gilmour hier wagt, ist nicht leicht: Ein solides, stellenweise mittelklassiges Soloalbum neben die größten Nummern der Rockgeschichte zu stellen – und trotzdem eine Einheit zu schaffen. Aber es gelingt. Es gelingt durch Offenheit, durch Gelassenheit, durch das Wissen, dass Größe nicht in Dezibel, sondern in Haltung steckt. "The Luck And Strange Concerts" ist eine Konzertreihe, die atmet – und den Raum zwischen Mensch und Mythos neu belebt.

Trackliste

  1. 1. 5 A.M.
  2. 2. Black Cat
  3. 3. Luck And Strange
  4. 4. Breathe (In The Air)
  5. 5. Time
  6. 6. Fat Old Sun
  7. 7. Marooned
  8. 8. A Single Spark
  9. 9. Wish You Were Here
  10. 10. Vita Brevis
  11. 11. Between Two Points
  12. 12. High Hopes
  13. 13. Sorrow
  14. 14. The Piper's Call
  15. 15. A Great Day For Freedom
  16. 16. In Any Tongue
  17. 17. The Great Gig In The Sky
  18. 18. A Boat Lies Waiting
  19. 19. Coming Back To Life
  20. 20. Dark And Velvet Nights
  21. 21. Sings
  22. 22. Scattered
  23. 23. Comfortably Numb

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Gilmour, David – The Luck and Strange Concerts €18,98 €3,00 €21,99
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Gilmour, David – The Luck and Strange Concerts €21,97 €3,00 €24,97
Titel bei http://www.amazon.de kaufen David Gilmour – David Gilmour, Neues Album 2025, The Luck and Strange Concerts, 2 CD Digipack Exclusive Alternative Cover €34,90 Frei €37,90
Titel bei http://www.amazon.de kaufen David Gilmour – David Gilmour, Neues Album 2025, The Luck and Strange Concerts, Fier-Fach Vinyl Exclusive Alternative Cover, 4 LP €194,90 Frei €197,90

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT David Gilmour

Der Name David Gilmour ist zwar auf ewig und untrennbar mit dem von Pink Floyd verbunden. Dabei wird aber oft vergessen, dass er ganz abgesehen von seiner …

Noch keine Kommentare