laut.de-Kritik
Kevin ringt mit sich und verliert den Groove auf halber Strecke.
Review von Johannes JimenoDer Erwartungsdruck muss immens gewesen sein. Tame Impala, einer der größten Indie-Lieblinge, hat in den letzten Jahren an etlichen Hits mitgewirkt, man denke nur an Dua Lipas "Radical Optimism" oder seine Features auf "Hyperdrama" von Justice. Zudem sind seine zeitlosen Schönheiten "The Less I Know The Better" sowie "Borderline" sehr präsent. Wie geht Kevin damit um?
Er mutiert zum Wiederholungstäter und wechselt die Stoßrichtung, jedoch nicht so radikal wie damals von Psych-Rock zu Electro-Pop, sondern etwas holpriger und an seine Wurzeln angelehnt. Vieles auf "Deadbeat" orientiert sich am Bush Doof (australische Outdoor-Rave-Kultur), entsprechend basslastig und tanzbar entpuppt es sich auch. Das siebenminütige "Ethereal Connection" bildet das zentrale Stück dafür, ein Progressive Trance-Track mit bedrohlichen Bässen und knallharten Drums. Er wabert unentwegt, erschafft mitunter helle Momente und erinnert stellenweise an DJ Koze.
Die erste Vorab-Single und zweite große Vertreter "End Of Summer" steht gleichbedeutend für das ganze Album. Ein pulsierendes Epos mit Beatwechseln, flirrenden Hi-Hats, verspultem Vibe, dem jedoch das gewisse Etwas abgeht. Parker singt metaphorisch über Abschiede und dem schmerzenden Gefühl, loslassen zu müssen: "I know I can seem uncaring in moments like these / I just hope it's enough to say my words don't come with ease / And I'm sure that you won't believe, but you'll be on my mind / I waited till the end of summer and I ran out of time". Er muss einen Wechsel vollziehen, möchte sich nicht wiederholen, bleibt aber trotzdem noch gefangen. Eine innere Zerrissenheit, gepaart mit der Angst, seine treuen Fans vor dem Kopf zu stoßen, wie er in einem Instagram-Post zugibt.
Das Intro "My Old Ways", was zunächst klingt wie eine schüchterne Demo, thematisiert repetitives Verhalten trotz des Wunsches nach Veränderung. Ein niedliches Synthie-Solo sowie sich überlappende Gesangslinien sorgen für einen soliden Start. In "No Reply" lamentiert er über Ängste während der Etablierung von sozialen Verbindungen, stellt sich als Overthinker dar. Musikalisch in einen coolen Pop-Beat gebettet, klingt es frisch und ätherisch mit Ambient-Sounds. Ein Piano-Solo addiert noch einen melancholischen Touch.
Generell inszeniert sich Kevin als sympathischer Schussel, der vieles versucht, doch letztendlich scheitert. Ein ewiger, aber liebenswürdiger "Deadbeat" eben. "Loser" erzählt genau davon, denn er "tried to correct it / well, shit, I wrecked it". Zwar passend im Morgenmantel von verschrobenem Aussie-Pop, jedoch dermaßen trottend, dass ihm viel Strahlkraft abhanden kommt.
Irgendwie scheint ihm auch sein Midas Touch zu fehlen, denn seine Experimente gehen nicht mehr wie gewohnt auf. "Oblivion" rangiert zwischen Reggaeton und Dancehall, das er mit Psychedelica vermischt und seine Vocals in extrem viel Reverb taucht. Das resultiert darin, dass es im Albumkontext isoliert und willkürlich umher steht trotz feinsinnigem Kanon im Outro. "Piece Of Heaven" zitiert Enyas "Orinoco Flow", jedoch verkümmert dieser lyrische Liebesbrief durch mangelnde Inspiration und langgezogene Vokale. Das pittoreske Outro hängt Kevin ungalant an, sodass man denkt, das wäre ein völlig anderer Song. "Obsolete" kokettiert ebenfalls mit einem tollen Outro, versandet hingegen im klassischen Neo-R'n'B.
Das expressive "Not My World" greift Acid House auf mit tiefen Bässen und leichtem Chiptune, das vom Vibe getriebene "See You On Monday (You're Lost)" vollführt eine Kehrtwende dank minimalistischer Inszenierung.
Da fragt man sich: Kann Kevin Parker überhaupt noch Hits für sich selbst schreiben? Gott sei Dank vermag er dies und zwar an zwei Stellen. Das nonchalante "Dracula" bezirzt mit einem sexy Funkbeat samt Halloween-Feeling. Seine Trademarks kommen schön zum Glänzen: infektiöse Melodien auf Uptempo. In ähnlichen Gefilden schwimmt "Afterthought", das Reminiszenzen an Phoenix weckt und Michael Jacksons "Thriller" in der Bassline heraufbeschwört. Tanzbar, leger, elegant und im schönen Kontrast zum Text über zwischenmenschliche Unsicherheiten.
"Deadbeat" fungiert als klassisches Übergangsalbum, in dem Tame Impala viel Persönliches preisgibt und ihn weiterhin sympathisch macht. Jedoch fehlt es gerade ihm ironischerweise an Innovation und insbesondere Beständigkeit, da es sich mehr nach einem Skizzenblock anhört mit zu vielen Ideen. Löblich, dass er weiterhin nach künstlerischer Weiterentwicklung strebt, aber nicht alles will gelingen. Und da schließt sich der Kreis zum übergeordneten Thema dieses Projekts.
3 Kommentare mit einer Antwort
hab noch nicht durchgehört, aber finde es bislang ziemlich hammer.
Ne - sorry. Einmal durchhören reicht dem doch schon länger recht treuen Fan (also mir), und ich war sogar 'In the Mood'. Zum heilen direkt wieder die Ohren mit GUM einbalsamiert - damit bleibe ich wenigstens in der Bühnenfamilie. Hoffe nächstes Jahr in Düsseldorf habe ich keinen Interpol-Effekt - von 100 auf 0 innerhalb eines Albums ...
Joar, dann lieber GUM oder Pond, korrekt. Die tanzbaren Einschübe auf der letzten Platte haben mir alle gefallen, das hier plätschert aber eher so vor sich hin und will einfach nicht zünden.
Schlimmste Zeile bisher: "You are a cinophile, I watch family guy.."
Wenn der Mann beim Drumprogramming so akribisch gewesen wäre wie beim Rest, wäre das ne gute Platte.
So leider 2-Bar-Loops, doppelt so laut gemischt wie der Rest, die alles irgendwie zerschiessen. Dazu noch schlecht eingemixte Vocals und voilà, massiv Potential das Klo runter.