laut.de-Kritik
Ist das noch Entwicklung oder schon Legacy-Verwaltung?
Review von Yannik GölzEine so gleichmäßige, souveräne Karriere wie die von Celo & Abdi ist selten: Langsam Fahrt aufgenommen, imperiale Ära von 2011-2014. Nie Skandal, nie Allüre, einfach weitergemacht und bis heute durchgezogen. Klingt erstmal wie etwas sehr Positives, könnte ihnen aber auch zum Verhängnis werden. Die beiden sind wahrlich nicht schwer zu mögen, sie gehören zu den sympathischsten Figuren des Deutschrapkosmos. Aber ohne musikalische Höhen und Tiefen droht sich langsam eine gewisse Formelhaftigkeit ihrer Releases einzustellen, während sie zu Elder Statesmen avancieren. Nach gerade mal einem Album in den letzten sieben Jahren fühlt sich diese neue EP wie ein Sparring für die Form an. "J Puncher" zeigt: Sie können noch Hits machen. Aber ist das noch Entwicklung oder schon Legacy-Verwaltung?
Man muss Celo & Abdi ja lassen: "So So Def" ist einer ihrer eingängigsten Tracks. Es geht schamloser in den Pop, als sie es früher getan hätten, aber sie machen es dynamisch und ohne dafür ihre Persönlichkeiten aufzuopfern. Im Grunde macht die Hauptarbeit M3, der modernisierten 2000er-weißes-Shirt-Swagger aus einem alten Fabolous-Beat zimmert. Und Nimo, der sein ganz eigenes Ding aus der Melodie von Chris Browns "Run It" macht. Was kommt der auch mit einer Energie in diese Hook, um zu schreien: "Diggi, nein, das ist kein Leihwagen / Dieser Benz kommt von mein'n Live-Einnahm'n". Den aktuellen Trend der sehr offensichtlichen Samples haben sie so mitgenommen, ohne sich zu verbiegen.
Es zeigt vor allem aber auch eine andere Stärke des Duos: Celo & Abdi sind definitiv gut in der Zusammenarbeit mit jungen Talenten. Nimo war ja seinerzeit schon eine Entdeckung, hier zeigt der frisch von Rap La Rue-Hype auf den Track geholte Aymen, dass auch in ihm vielleicht sogar mehr steckt, als er in der Casting-Show zu sehen war. Sein Refrain auf "Tag Und Nacht" kommt mit der melodischen, tiefen Stimme ziemlich cool - und man spürt, dass er Bock hat, auf einem Track mit diesen Dudes zu sein, die ihren Legenden-Status langsam zementiert haben. Querverweis an dieser Stelle auch an diesen Moment, als sie ebenfalls von Rap La Rue einen gewissen Amo gesignt haben, der auf seinem ersten Track über das einzig valide Celo & Abdi-Sample "Amo Aller Amos" gerappt hat. Und man dachte schon: Wow, dieser Junge fühlt sich, als hätte er es geschafft, weil er jetzt bei den beiden ist. Das ist Legacy.
So brezelt diese EP wie eine kleine Reihe von verschiedenen Iterationen von "Duo Numero Uno" runter, die ihre Akzente vor allem durch Features gewinnen. Summer Cem und Vega kommen ebenfalls und machen ihr Ding. Aber es bleibt alles auf dieser Representer-Ebene, man wundert sich fast, dass kein Track namens "Immer Noch" ins Spiel kommt (Bushido hat inzwischen gefühlt zwölf davon), auf dem sie überzeugen wollen, dass sie immer noch die Dudes sind, die wir mögen. Ein bisschen scheint der Modus halt schon das Selbstzitat zu sein, wenn es im Titeltrack "J Puncher" an die Referenzlawinen geht. Klar, es ist gleichermaßen fun wie seltsam, Abdi Bars darüber kicken zu hören, er mache Geld wie Billie Eilish. Aber diese Parts klangen schon spritziger. "La Haine Rap" klingt auch wie ein verzögertes Echo von "Generation Tschö".
Es bleibt die Frage: Wo sind die Thementracks und die Storyteller? Im Grunde schöpfen alle Celo & Abdi-Projekte grob aus dem selben Topf. Aber verdammt, hatte der viel Platz für Kreativität. Spätestens, seit Abdi mich einmal gewarnt hat, dass ich zu seinem Sound "federleicht auf Traumato aus Pokemon kleben" bleiben könne, war ich eigentlich gewappnet, dass diese Typen wirklich über alles rappen könnten.
Dieses Level Fantasie fehlt "J Puncher"; es ist 'nur' ein kleiner Reminder, dass Che und A noch im Game sind - und dass sie sich zwar vielleicht ein bisschen von der ersten Reihe distanziert haben, aber das auch nur, um als Figuren im Hintergrund um so heller zu scheinen. "J Puncher" als Zwischendurch-EP ist definitiv genießbar - man könnte sich auch gut vorstellen, dass diese Tracks in Sachen Qualität auf einem guten Album landen könnten. Aber in der Quersumme fehlt doch einfach ein wenig die Breite und die Kreativität, zu der das Duo fähig ist. Cool, dass sie gezeigt haben, dass sie immer noch auf der Höhe der Zeit sind und dabei nicht an Skill abgebaut haben. Jetzt lass das hier nur einen Anlauf zum größeren Projekt sein, das hoffentlich bald kommt.
2 Kommentare mit 2 Antworten
" Jetzt lass das hier nur einen Anlauf zum größeren Projekt sein, das hoffentlich bald kommt."
Das Album kommt, wie man sogar auf eurer Seite nachlesen kann, morgen.
Lächerliche Aktion einen Tag vor Albumrelease ein paar Singles davon zu bewerten (Spotify fasst die bisher releasten Singles automatisch zu einer EP zusammen) und sich dann aufzuregen, dass Thementracks und Storyteller fehlen.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Monaten durch den Autor entfernt.
Spotify macht das nicht automatisch, das machen die Labels, wenn die die Sachen bei Spotify bzw den Spotifypartnern abgeben.