laut.de-Kritik
"Hab' Angst, mir gehen die Schwanz-Lines aus." Schön wärs!
Review von Dominik Lippe2006 sah die Deutschrap-Landkarte grundlegend anders aus als heute. Chakuza und Bizzy Montana hatten gerade bei Ersguterjunge, einem der Top-Labels des Genres, angeheuert und veröffentlichten die mit Battle-Brettern gefüllte Kollabo "Blackout". Seitdem hat sich nicht nur deutscher Hip Hop verändert. Während Ersguterjunge nur noch rudimentär besteht, hat es sich Chakuza mittlerweile musikalisch in Pop-Gefilden gemütlich gemacht. Eine Entwicklung, die Fans der ersten Stunde zwar bedauern mögen, die aber folgerichtig erscheint.
Nichtsdestotrotz setzen Chakuza und Bizzy Montana über zehn Jahre nach dem ersten Teil nun zum zweiten Rundumschlag an. Das Ziel ist dabei klar vorgegeben: wortspielreicher Battle-Rap aus der Westberlin Maskulin-Schule. Auf Seiten der Produktion bauen sie jedoch auf modernere, trappige Beats, auch einmal mit Autotune-Effekten angereichert ("Kasalla"). Textlich gehen die beiden Protagonisten hauptsächlich fiktive Gegner an. Summer Cem und Prinz Pi bilden Ausnahmen von dieser Regel.
Trotz aller Ankündigungen hält sich der Humor versteckt. Kein Wortwitz, keine unterhaltsamen Metaphern, nicht einmal Spaß an der Sache ist spürbar. Auch der bierernst vorgetragene, gleichförmig monotone Flow schafft da keine Abhilfe. Das liest sich zugleich albern und verklemmt: "Dann fick' ich deine Oma tot, denn sie war am Fluss Pipi machen. Deshalb ist die Donau rot. Dann fahre ich nach Indien und da fick' ich noch Gandhi tot. Am Fluss macht man nicht Pipi, aber ich habs ihm schon angedroht. Dann fick' ich deinem Großvater die Prostata so hart ..." In dieser Form geht es über knapp 80 Minuten weiter.
"Dir Punker gehen langsam die Punchlines aus? Ich hab' Angst, mir gehen die Schwanz-Lines aus." Ja, schön wärs. Zwar ist die Vorliebe Chakuzas für Sprüche aus dem Themenkreis "Untenrum" altbekannt, doch hier verwendet der Österreicher sie inflationär. Kaum ein Vers und erst recht keine Strophe kommen ohne vorpubertäre "Mumus" und "Schwänze" aus:
"Du hast nicht ADHS, sondern A-I-D-S. Das kommt vom Lutschen an der Affenmumu. […] Auf Shaka Zulu reimt sich gar nichts außer Affenmumu. Okay, warte, vielleicht Giraffenmumu." Allmählich stellt sich die Frage, in welcher psychosexuellen Entwicklungsphase Chakuza eigentlich hängengeblieben ist. Ein Freudianer möge sich der Sache bitte annehmen.
Über etwaige religiöse Beleidigungen entbrannte im Vorfeld der Veröffentlichung eine Mini-Kontroverse. Insbesondere Chakuzas Abstecher in die Synagoge lag einigen Kritikern quer im Magen: "Ich komme zur Bar Mitzwa – ist hier Party oder nicht? Für mich gratis, denn sonst fick' ich dir den Bart aus dem Gesicht. Und klau' dann auch die Vorhaut deines Sohnes. Ich komm' aus Mexiko und klau' auch die Cojones." Der laue Gag sollte sicherlich nicht judenfeindlich sein, offenbart jedoch pure Ignoranz. Immerhin hat die Beschneidung im Judentum nichts mit der Bar Mitzwa zu tun. Auch Halbwahrheiten und Vorurteile können eine beleidigende Wirkung entfalten.
Weitaus durchdachter gehen die beiden Rapper auf "Anarchie" ans Werk. Ein Battle-Track, der nicht irgendeinen Dorfrapper ins Visier nimmt, für den sich ohnehin niemand interessiert. Montana solidarisiert sich in der Causa Böhmermann mit dem ZDFneo-Satiriker: "Bizzy Böhmermann, ich mach' es so lange, bis Erdogan kommt und meinen Namen ohne zu atmen auf meiner Flöte flöten kann." Auch Putin, Assad und der IS bekommen ihr Fett weg: "Die Amis schicken Raketen ins All. Wir schicken die ISIS ins All." Hier trifft es die Richtigen.
"Ahmadinedschad" folgt dagegen einem Trend, der bereits auf "Vision" irritiert hat: Kontroverse politische Figuren werden kontextlos zur Hookline verwurstet. Während Kurdo dem Diktator Stalin einen Song widmet, hustet Chakuza den Namen des ehemaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad vor sich hin. Woher kommt nur diese Mode?
Symptomatisch für "Blackout 2" erscheint auch der "Headshot Skit". Für die Aufzählung gelungener Skits auf deutschen Rap-Alben reicht ohnehin eine Hand aus. Im vorliegenden Fall muss man Chakuza und Bizzy Montana über vier Minuten lang bei Telefonstreichen zuhören. Der Spaß an den Insiderwitzen bleibt auch hier einzig den beiden Protagonisten vorbehalten.
In Interviews unterstreichen die Exguterjungen kurzsichtig die Notwendigkeit ihres Projekts: Immerhin gebe es im deutschen Hip Hop keinen Battle-Rap mit Punchlines mehr. Schließlich nutzen die beiden den Song "Hallelujah", um auch noch zu konstatieren: "Besser rappen als wir zwei kann keiner – Hallelujah!" Sicherlich eine Selbstüberhöhung in bester Battle-Rap-Manier, aber dennoch angesichts der in weiten Teilen enteilten Szene realitätsfern. Die Welt hat sich weitergedreht, zehn Jahre sind eine lange Zeit.
7 Kommentare mit einer Antwort
Album macht Spaß. Die texte verdienen zwar den nonsense Preis , aber das machen die Jungs mit witzigen lines, geilen beats und großartiger Performance wieder wett. Da merkt man dem Hunger und die Freude die chak und bizzy bem recorden hat. Als alter chakuza fan eine wahre freude. Magnolia war o.k, aber exit und noah ekelhaft.
Genre Jazz
JAWOLL
mindestens. ich guck mal, was da los ist.
... danke, luchsauge.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Das Album sollte eigentlich überhaupt keine Wertung kriegen. War doch von vornherein klar, dass es ein reines Spaßprojekt wird, gerade bei Bizzy liegt der Fokus doch längst nicht mehr auf eigener Musik, die Umzugsfirma wird wohl auch mehr abwerfen. Trotzdessen finde ich seine Leistung auf dem Album solide-gut, vllt sollte er mal wieder eine ernsthafte Platte recorden.
Chakuza ist leider rap- und texttechnisch ein Totalausfall, aber sein letztes gutes Rapalbum war auch City Cobra vor 10 Jahren.
Finde auch, dass das Album Spaß macht. Chakuza packt mal wieder die Ultra-ekelhaften Billig-Lines aus, aber zwischendurch gibt es auch einige Schmunzler. Sowas wie "Mein Sohn hört die Bee Gees / Ich habe Angst / Dass er bald so aussieht wie Prinz Pi" (frei zitiert). Bizzy macht sich auch ganz ordentlich. Tut auch mal wieder ganz gut sowas zu hören.
Das Album ist grottiger als alle Banger-Musik-Releases zusammengerechnet. Und das will was heißen.