laut.de-Kritik
Gefühlsgewitter für lethargische Sparkassen-Azubis.
Review von Marvin MüllerUm dem Hamsterrad zu entkommen, zog es Chakuza aufs Land. Hier fand der naturverbundene Melancholiker die Ruhe, die es benötigte, um seine Trilogie zu beenden. Nach "Magnolia" und "Exit" steht mit "Noah" der letzte Teil der Albumreihe in den Schaufenstern.
"Anno 1981" eröffnet die Platte und lässt keinen Zweifel daran, dass Chakuza den Sound des Vorgängers "Exit" optimiert hat. Störende Elemente weichen dominanten Drums und einer verheißungsvollen Orgel (von der wir noch einiges zu hören kriegen). Der Indie-Klangteppich wurde kräftig dampfgereinigt, Chakuza hat sich schließlich vollends in soften Pop- und Rockgefilden eingefunden. Zwar spuken dem Rapper der ewige Schmerz und die bittere Realität menschlicher Einsamkeit noch immer im Hinterkopf, jedoch scheint ihn die frische Landluft versöhnlicher zu machen. So zeigt sich Chakuza auf dem neuen Werk optimistisch und zufrieden wie nie zuvor.
Frühen Höhepunkt der Platte bildet die Auskopplung "Wien", in der die Stimme Chakuzas perfekt mit der vom Klavier dominierten Kulisse einher geht. Der verkopfte Künstler löst sich endlich von den eigenen Geißeln und zwängt seine Schwermut in ein eingängiges, durchaus radiotaugliches Kostüm. Für "Exit" arbeitete der Österreicher das erste Mal mit dem niederländischen Künstlerkollektiv In Vallis zusammen, eine ausgedehnte Tour später harmonieren sie perfekt miteinander. Halbgare Dubstep-Versatzstücke tauschen sie gegen die ständig vorherrschenden Keys, Experimente oder Liebäugeleien mit den momentanen Hip Hop-Trends finden schlicht nicht statt.
Vorbei die Zeiten, in denen ein mit Eye Black versehener Chakuza verbissen in die Kamera blickt, das hat dieser Mann gar nicht mehr nötig, ihm geht es endlich gut. Der finally selbstzufriedene Trauerkloß wird demnächst heiraten. "Gold" widmet er seiner Zukünftigen, nach eigener Angabe hat er für das Songwriting des zweiten Appetizers lediglich zehn Minuten gebraucht, er spricht nämlich aus dem Herzen. Orgelklänge suggerieren uns die Bedeutsamkeit des Liedes, gemeinsam mit "Wien" bildet die goldene Liebeserklärung die Ringstraße der neuen Platte.
Die Melancholie, schließlich Hauptmotiv im musikalischen Schaffen des Österreichers, kommt auch auf "Noah" nicht zu kurz. In "Winterschlaf" lässt sich ein rauer Chakuza auf molligen Arrangements über das Dasein aus. "Und mein Mädchen wird zum Biest, war vorher Liebling, es gibt Streit, denn ich beherrsche sie ganz gut, die Kunst der Mittelmäßigkeit", resümiert er selbstkritisch.
Ansonsten bleibt "Noah" leider recht eintönig. Das ist zwar sehr schön anzuhören, aber das immer gleiche Transportieren der selben Stimmung stößt schon bald unangenehm auf. Das raue Timbre sorgt für kurze Momente, doch überstrahlen die bemühten Keys und ausdruckslosen Drumsets die emotionale Konzeption der Platte. Zudem hat das Pop-Teufelchen auf Schulter des Rappers auch textlich für diverse Aussetzer gesorgt.
"Tanzmarie" bietet einen diffusen Aufzähler-Rap (kann man das noch so nennen?) poetisch klingender Worthülsen und endet mit einem gehauchten "Fantasie ...", von der mir wohl einige verloren gegangen ist, Spongebob lässt grüßen. "Sonnenallee" markiert in coldplayesker Perfektion das produktionstechnische Highlight auf "Noah", hebt sich jedoch textlich nicht vom Rest der Platte ab. Generell verliert die zweite Hälfte an Luft, die geladenen Strophen aus "Mond" oder "Wassersturmfeuer" lösen höchstens noch bei lethargischen Sparkassen-Azubis ein Gefühlsgewitter aus.
Man merkt, dass Chakuza bemüht war, leichte Worte für seine doch recht komplexen Themen zu finden und so hin und wieder in die Plattitüden-Falle tappt. Mit In Vallis hat er jedoch ein fähiges Produktionsteam und eine starke Live-Band beisammen. Sollte entgegen seiner momentanen Laune eine weitere Platte entstehen, ist er auf jeden Fall in den richtigen Händen. Mit "Noah" hat er seine Trilogie vollendet, er lebt zufrieden und zurückgezogen auf dem Land und hat ausreichend Wein, Weib und Gesang.
Chakuza hat keine neuen Maßstäbe gesetzt, aber sein bisher rundestes Werk abgeliefert. Die Produktion besticht im Augenblick, wirkt zwar auf die Dauer etwas zu glatt, aber sorgt in Verbindung mit Raubein Chakuza oft genug für genussvolle Hörmomente. Außerdem hat Chakuza endlich seinen Frieden gefunden. Das sollte uns allen genügen.
9 Kommentare mit 8 Antworten
Mit Chakuza ist es schon ein absonderlicher Fall. Damals im EGJ-Camp herausragend, anders, impulsgebend setzte er seinen Solo-Weg danach unter den fatalen Fittichen von Four Music fort. Der Anfang vom Ende
Der Chakuza-Spartacus von 2005, die City Cobra von 2007, der harte Junge mit der sensiblen Seite, alles ist dem kalkulierten Getöne einer immerwährenden, unspannenden Mid-Life-Crisis gewichen, die fortlaufend als total angekommen verkauft wird. Sesshaft im Morast der Ödnis. Alles ein Brei aus Emotion und Reue, zurücklehnen und einpennen
Früher mochte man ihm die Flasche reichen, damit das Gejammer endlich ein Ende findet, heute ihm sie im selben Moment drüberziehen um die Selbstzufriedenheit auszutreiben. Da ist die gesamte Energie weg, das ist langweilig und wenn dann noch die drohenden "echten" Instrumente das Soundbild verzieren, schaltet der Hörer endgültig auf Durchzug
+1
Was erwartest du?
Dass ist wie wenn Dani Fromm nen Deutsch-Rap Review macht.
Wenn einem die Musikrichtung nicht liegt, dann wird man halt nichts mit der Sparkassen-Azubi Musik anfangen können.
Ein McDonalds Stammkunde wird sich auch darüber wundern, warum ein richtig gutes Steak mit weniger Gewürzen und Soßen auskommt.
Ich erwarte wieder den Hunger und die Motivation, die er früher hatte und nicht diese Schaukelstuhlromantik mit heißem Tee und Gebäck
Jetzt ist er aber Indie-Poper, kann man mögen oder lassen. Finde Noah auch nur durchschnittlich mit 1-2 Highlights aber Exit und Magnolia waren richtig gut, ist halt sein Weg geworden.
Im Deutschrap verdienst du halt nur Geld mit Billo-Texten und AKs im Wandschrank anstatt mit innovativen versierten Texten, vor allem nicht, wenn sie eine Message haben.
Die Sachen mit Message leiden oft am Künstler, sprich Artikulation, Ausdruck, Rhythmik und Authentizität und musikalischem Background.
Die beste Message bringt nun mal auch nichts, wenn der Artist scheiße klingt.
Chakuza macht nen Spagat und ist somit sicher sehr weich gespült aber das Gesamtpaket passt noch am besten.
Den letzten Absatz gab es so oder so ähnlich bei gefühlt jedem Chakuza-Release seit "Monster in mir" zu lesen, die zwar immer relativ lahm waren, aber "nun ist er musikalisch angekommen", "hat sich gefunden", "blickt nach vorne", "auferstanden aus Ruinen" blablabla.
Am Stück anhören kann ich mir das nicht aber in einer Playlist für zwischendurch zum runterkommen schon gut geeignet.
Unfassbar, wie ein Künstler, der früher gute Runde Alben, die sowohl Kraft, Witz, als auch deepe Sachen stark rüberbrachten so eine kraftlose langweilige Scheiße produzieren kann.
Jetzt baut er alles um irgendwelche ach so deepen Sachen auf, und die ganze Trilogie schafft es nicht einmal, ansatzweise an Tracks wie Ich geh jetzt, gute Jungs, Schwarzer Mann, Mein Leben Lang, vergiss mich nicht oder Feiner Sand heranzukommen. Die Sachen kommen ja nichtmal an die alten Freetracks ran.
Schade! Chakuza schätze ich als Rapper, aber für mich ist er kein Musiker.
Ich hör gerad die Hook von 187 - Das Gefühl und da kommt einfach was rüber.
möchte mal ins gedächtnis zurückrufen, dass chakuza früher mal "figurbetont" auf "hurensohn" gereimt hat. dafür hat er immer noch was gut.
Er hatte oft ganz gute, kurze Representer als Alben-Intros. https://youtu.be/JhlLSPLEsN0?list=PL0JiqTc…