laut.de-Kritik

Erde an Chevelle: Ihr habt den Absprung verpasst.

Review von

Seinen eigenen Stil finden und diesen trotz fehlender Originalität einfach mal 20 Jahre lang so durchziehen. Kann man schon machen. Klingt jetzt erst einmal nach Korn, trifft aber eigentlich genauso gut auf Chevelle zu. Gut, im Gegensatz zu erstgenannten Genrepionieren hat das Trio aus Illinois bei der Beerdigung des Nu Metal Mitte der 2000er zumindest nicht vollständig gepennt. Dass sie im selben Zug aber alle Facetten abschütteln mussten, die "Wonder What's Next" 2002 einen gewissen Hitstatus verliehen haben – geschenkt.

Stattdessen setzen Chevelle weiterhin auf schleppende Modern-Metal-Riffs, die weniger am Trommelfell, dafür umso mehr an der Belanglosigkeit kratzen. Irgendwie also schon beleidigend (vielleicht sogar für beide Seiten?), dass diese Band so oft als Tool-Klon verschrien wurde. Wirklich rhythmisch versiert oder gar proggy geht es auf "The North Corridor" nämlich keinesfalls zu, wenngleich man Pete Loeffler durchaus die gewisse Nähe zu Mr. Keenan attestieren darf.

Musikalisch wird meist in tiefer Stimmung gegroovt, stets auf der Suche nach halbwegs prägnanten Gitarrenmotiven. Was andere Bands nach langen Jamsessions ausmisten, landet hier ganz schamlos auf der Platte. Packt Chevelle die Kreativität dann doch einmal bei den Eiern, gibt es keine Rücksicht auf Verluste: Auf gewiss funktionalen Mitjump-Parts ("Rivers") reiten sie so lange herum, bis sich auch der letzte Wacken-Hobbyalki im Moshpit angesprochen fühlt. Nölige Vierminüter, die krampfhaft in die Länge gezogen wirken: So etwas ist man in diesem Genres je eher von Dope gewohnt.

Aber Butter bei die leblosen Fische: Chevelle wissen ganz genau, was sie da tun. Umso bitterer eben, dass sie es noch immer tun. Dass sie trotz musikalischer Fähigkeiten eine fünfzigminütige Schnarchorgie abliefern. Dass trotz entfaltungsreicher Stimme nichts hängen bleibt. Dass sie trotz fettem Sound nicht genug Druck ausüben. Wobei letzteres gewiss auch dem Fehlen eines zweiten Gitarristen geschuldet ist, den Chevelle mit durchaus nett durchkomponierten Bassläufen zu kompensieren gedenken. Erweist sich für die Durchschlagskraft dann aber als erschreckend erfolglos.

Ebenfalls zu spät kommt das plötzliche musikalische Aufbegehren in "Punchline". Klar, wenn Loefflers Stimme plötzlich E-Drums, kratzige Akustikgitarren und röhrende Synthesizer unterlegen, schimmern hier und da vielleicht die viel zitierten The Cure-Einflüsse durch. Den hymnischen Charakter vergangener Tage ("Send The Pain Below") bringt das aber trotzdem nicht zurück.

Erde an Chevelle: Ihr habt den Absprung verpasst.

Trackliste

  1. 1. Door To Door Cannibals
  2. 2. Enemies
  3. 3. Joyride (Omen)
  4. 4. Rivers
  5. 5. Last Days
  6. 6. Young Wicked
  7. 7. Warhol's Showbiz
  8. 8. Punchline
  9. 9. Got Burned
  10. 10. Shot From A Cannon

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Chevelle – The North Corridor €15,72 €3,00 €18,72

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Chevelle

Wenn eine Band für ihr Debütalbum einen Hochkaräter wie Steve Albini für die Produktion gewinnt, dann vermutet man zurecht, dass es sich hierbei um …

3 Kommentare

  • Vor 8 Jahren

    Die Zeit für solche Musik ist längst vorbei. Chevelle haben den Absprung schon seit über 10 Jahren verpasst.

  • Vor 8 Jahren

    Ich bin wirklich kein Korn-Fanboy, aber was da oben steht, ist so ziemlich der größte Schwachsinn den ich je lesen durfte :D

  • Vor 8 Jahren

    Kann man durchaus so sehen, Alex Klug, die Geschmäcker dürfen allerdings höchst unterschiedlich sein. Die US-reviews bleistiftsweise preisen die Scheibe als their heaviest album so far.

    Aber: warum ist offenbar grundsätzlich zu kritisieren, wenn eine Band genau das tut, womit sie gut fährt und (vermutlich) Spaß daran hat? Ich will nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, aber „St. Anger“ irgendwer? Oder muss erst ein erfolgloser Ausflug in andere Gefilde her, um danach gleichermaßen reumütig wie triumphal zu alten Tugenden zurückzukehren („Death Magnetic“)? Da scheinen mir die Herren von Chevelle clever genug zu sein, diesen Umweg zu vermeiden.

    Wie sagte Henry Rollins so treffend: „… and then bands p r o g r e s s – which means, they s u c k .“

    Ich finde die Scheibe gut. Sie ist heavy, fett, ordentlich produziert, sie überrascht nicht mit abseitigen Ausflügen – also genau das, was ich mir von Chevelle erhofft habe. Denn wenn ich Judas Priest hören möchte, kaufe ich nicht Lacuna Coil. Und umgekehrt.

    \m/