laut.de-Kritik

Der Frontcharismatiker ist bei sich selbst angekommen.

Review von

Nicht vom Cover täuschen lassen: Es handelt sich hier nicht um den neuen Longplayer von Angels And Airwaves oder einem sonstigen Truther-Projekt von Tom De Longe, auch wenn sowohl Albumtitel, Schriftzug und Covermotiv gut passen würden. Soundgarden-Frontcharismatiker Chris Cornell sucht die höhere Wahrheit, und er tut das im ungemein eingängigem akustischen Gewand.

Sechs Jahre nach seinem letzten Solo-Longplayer "Scream" ist Cornell gemeinsam mit Brendan O'Brien (u.a. Bruce Springsteen, AC/DC) wieder ins Studio gegangen. Schon die erste Singleauskoppelung hat es in sich: Mandoline, Pizzicatostreicher und Akustikgitarren tragen "Nearly Forgot My Broken Heart". Daneben beweist Cornell mit einer grandiosen Gesangsleistung einmal mehr, dass er zu den unverkennbarsten Stimmen im gesamten Rockzirkus gehört. Das konnte er in der Vergangenheit nicht immer ganz ausleben (siehe Audioslave) .

"It all drives by like a speeding trail", singt er in "Dead Wishes", die Gitarren treiben akzentuiert countryesk nach vorne. Offen wird die Gitarrenstimmung bei "Worried Moon", und die Marschrichtung seines neuen Werks ist hier bereits sonnenklar: viel Atmosphäre, warmer, klarer Akustiksound und genügend Platz für Cornells raue, umfangreiche Stimme.

Das Akustische sei mittlerweile so etwas wie seine Solo-Identität geworden - und das steht ihm wirklich ausgezeichnet. Beim Titeltrack übernimmt dann das Klavier, alles klingt ein wenig dramatischer als sonst – und bei "Our Time In The Universe" haut er dann so richtig auf die Kacke - cineastisch. Das hätte es wirklich nicht gebraucht, weil "Higher Truth" in den leisesten Momenten am besten ist.

"You can set the world on fire / Yeah if you want / It isn't hard / I won't be there looking on /To see the trail of lies / As you fall / But I'll take the truth / The higher truth" - so stimmungsvoll wie die Musik, so unspektakulär sind die Lyrics, die Vergänglichkeit, das Innenleben und das Sterben aus der Ich-Perspektive thematisieren.

Cornell fühlt sich in diesen Arrangements deutlich wohl - das meiste haben O'Brien und er selbst eingespielt. Die Brücke zur Vergangenheit schlägt allein die Wahl des Studios: aufgenommen wurde in den Henson Studios, wo früher A&R Records beheimatet war - und Soundgarden zu ihrem Höhenflug ansetzten.

Hatte man bei Cornells letzten Solo-Alben immer ein wenig das Gefühl, dass die Produktionen überbemüht und aufgesetzt wirkten, scheint der Amerikaner mit "Higher Truth" bei sich selbst angekommen zu sein.

Trackliste

  1. 1. Nearly Forgot My Broken Heart
  2. 2. Dead Wishes
  3. 3. Worried Moon
  4. 4. Before We Disappear
  5. 5. Through The Window
  6. 6. Josephine
  7. 7. Murderer Of Blue Skies
  8. 8. Higher Truth
  9. 9. Let Your Eyes Wander
  10. 10. Only These Words
  11. 11. Circling
  12. 12. Our Time In The Universe
  13. 13. Bend In The Road
  14. 14. Wrong Side
  15. 15. Misery Chain
  16. 16. Our Time In The Universe (Remix)

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