laut.de-Kritik

Liebliche Folk-Klänge aus der Pfalz.

Review von

In einer Welt, die zunehmend von Gewalt geprägt ist, - da macht die LAUT-Redaktion keine Ausnahme -, ist es geradezu herzzerreißend, ab und zu mal einen netten Leserbrief wie diesen zu erhalten:

Lieber Giuliano,

seit 'ner Weile lese ich deine Reviews bei laut.de. So verdanke ich einer deiner Besprechungen, dass "Raising Sand" bei mir auf Endlosschleife läuft …

Check mal mein Album Cole. Das erscheint gerade und macht sich ganz gut.

Peace, Cole

Liebe Cole, danke für Brief und Platte. Wir geben uns Mühe, alle CDs anzuhören, die bei uns eintreffen. Das sind jeden Monat mehrere Hundert. Klar, dass wir nicht alle besprechen können und uns auf die beschränken, die uns gefallen oder in den oberen Etagen der Charts landen. Was sich gegenseitig nicht unbedingt ausschließt. Es macht unserer Meinung nach wenig Sinn, unbekannte Künstler zu verreißen, die kaum jemand kennt. Eine negative Kritik wirkt in diesem Fall nicht gerade fördernd.

Eure Platte hat mit Robert Plant und Alison Krauss nicht viel am Hut, mit der Ausnahme, dass sie auf akustische Klänge gründet. Doch das ist nicht entwertend gemeint, denn sie ist in sich schlüssig: Gitarren, Bass, Schlagzeug und vor allem eure zwei männlichen Stimmen passen gut zusammen.

Der Titeltrack scheint mir dabei eines der schwächeren Stücke. Besser gefällt mir das zweite, "Don't Hurt Virginia", mit schrägem Cello, indischen Elementen und einem Harmoniegesang, der ein bisschen an die Beatles erinnert. Ein weiterer großer Einfluss scheinen die Rolling Stones auf euch zu haben, zumindest habe ich in "Sold Down The River" "I Got The Blues" und in "Dreamy Summer" "Wild Horses" heraus gehört.

Auf jeden Fall habt ihr einen guten Sinn für Melodien und Arrangements, die manchmal eine Spur zu lieblich ausfallen ("Emily", "Sailing Off"), aber nicht in schnulzige Gefilde abdriften, wie etwa bei Reamonn. Vielleicht setzt ihr euch damit zwischen die Stühle, aber wer weiß das schon? Erfolg und Durchbruch sind ja nicht nur das Ergebnis von Talent, harter Arbeit und eisernem Willen, wie es uns Dieter Bohlen eloquent verkauft, sondern vor allem von Glück. Oder vom zufälligen Aufeinandertreffen nicht verbundener Ereignisse, auf die wir keinen Einfluss haben, falls ihr nicht an das Schicksal glaubt.

Auf jeden Fall ist es förderlich, am Ball zu bleiben. Selbst die Beatles sind nicht über Nacht zu Weltstars geworden, sondern haben sich Monate lang den Arsch auf der Reeperbahn aufgerissen, bis sie den Sound entwickelten, der sie bis heute so beliebt macht. Eure Musik ist nicht revolutionär, sicherlich aber nett anzuhören. Ein paar mehr originelle Elemente wie in "Don't Hurt Virginia" würden helfen, dem Material eine stärkere eigene Note zu verleihen.

Jetzt muss ich zurück in den Schützengraben – besorgt beobachte ich, wie Ebi jenseits des Stacheldrahtzauns seine Pumpgun lädt. Bevor der Waffenstillstand endet noch ein kleiner Tipp: Die Felice Brothers. Eine Truppe aus dem ländlichen New York, die mich mit ihrem gleichnamigen Debüt begeistert hat.

Liebe Grüße aus dem Krisengebiet Bodensee – und viel Glück

Giuliano

Trackliste

  1. 1. The King Is Crying
  2. 2. Don't Hurt Virginia
  3. 3. Emily
  4. 4. Roller Coaster
  5. 5. Sailing Off
  6. 6. Sold Down The River
  7. 7. All You Gamblers
  8. 8. Dreamy Summer
  9. 9. Down In The Fields
  10. 10. Angel

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