laut.de-Kritik
Zwischen Wut und Euphorie, schrägen Riffs und Melodien.
Review von Toni HennigDie 1990 in Boston, Massachusetts gegründeten Converge gelten, trotz ihrer mittlerweile verhaltenen Veröffentlichungspolitik, als die verlässlichste Konstante im Math- und Metalcore-Sektor. Auf ihrer letzten, kürzlich erschienenen EP "I Can Tell You About Pain" hat man keinerlei Qualitätseinbußen vernommen. Und auch "The Dusk In Us", ihr erstes Studioalbum seit "All We Love We Leave Behind" von 2012, bildet keine Ausnahme.
Schon der wütende Opener fegt sämtliche Zweifel hinweg, dass der Vierer Ermüdungserscheinungen zeigt oder Altersmilde walten lässt. Dazu treibt Ben Koller die Nummer am Schlagzeug wuchtig voran. Kurt Ballou streut seine charakteristischen, melodischen Riffs ein. Jacob Bannon kotzt sich die Seele aus dem Leib und Bassist Nate Newton sorgt für die nötige Portion Groove. Zum Schluss zielt das Stück mit kraftvollen Powershouts direkt auf den Moshpit.
Keine Gefangenen nimmt anschließend "Eye Of The Quarrel". Der Song besitzt genauso viel Kompromisslosigkeit wie "Trespasses" auf der herausragenden Vorgängerscheibe oder "Dark Horse" auf dem nicht minder gelungenen Album "Axe To Fall" (2009). Dagegen lässt "Under Duress" eingängige Momente kaum vermissen. Unaufhaltsam setzt sich die Hook in die Gehirnwindungen fest. Trotzdem hat sich bei dem Sänger in den letzten fünf Jahren eine Menge Wut und Frustration aufgestaut. So gleicht sein bellender Gesang in diesem Track den Geräuschen eines räudigen und dreckigen Straßenköters.
Nachdem man dieses Inferno anfänglich überstanden hat, gehen Converge danach verspielter zu Werke, ohne an Durchschlagskraft einzubüßen. Mehr Taktwechsel wie in "Arkhipov Calm" haben AC/DC und Six Feet Under vermutlich in ihrer gesamten Karriere nicht aufzuweisen. Wiederum hat man die Band selten so psychotisch wahrgenommen wie in "Murk & Marrow". "Trigger" lässt wegen seiner dynamischen Struktur gar an Faith No More zu "Angel Dust"-Zeiten denken. Jacob Bannon versprüht dabei mit seinen chaotischen Shouts und dem Sprechgesang ebenso viel Wahnwitz wie Mike Patton. An Virtuosität, Abwechslung und Emotionalität mangelt es dieser Platte also keineswegs.
Dennoch hört man auf diesem Album, wie man es von der Formation bisher kennt, einige mitreißende Midtempoballaden. Der Titelsong hat allerdings die ersten Minuten aufgrund des tiefen, dunklen Klargesanges beinahe etwas Lethargisches. Nach und nach steigert sich die Intensität dieses Stückes. Schließlich entledigt sich Jacob Bannon am Ende seiner Verzweiflung. Letzten Endes hat man so ziemlich alle negativen Gefühlszustände in dieser Nummer durchlebt. "Thousands Of Miles Between Us" vermittelt indes, während sich das postrockige Gitarrenspiel euphorisch nach oben schraubt, sogar Zuversicht und Hoffnung. Somit schließen sich Glück und Leid auf diesem Album alles andere als aus.
Zum Schluss fasst das stürmische "Reptilian" noch einmal alles zusammen, was diese Scheibe zuvor ausgemacht hat. Der Song bietet zwischen schleppenden und temporeichen Passagen, nach vorne gehenden und mathematisch-schrägen Riffs, abenteuerlichen Breaks und präzisen Moshparts im Grunde alles, was man von den vier Musikern aus Boston erwartet. All ihre Stärken kann diese Band nach wie vor weitaus mehr als souverän und solide abrufen.
Mit "The Dusk In Us" knüpfen Converge daher nahtlos an die zugänglichere Ausrichtung des Vorgängers an. Demgegenüber nehmen die Sludge-Einflüsse nicht mehr ganz so viel Raum ein. Die Songs des Vierers kommen auf dieser Platte insgesamt schneller auf den Punkt. Darüber hinaus klingt die Formation wegen der druckvollen Produktion von Kurt Ballou auf diesem in den God City Studios in Salem, Massachusetts eingezimmerten, überaus hervorragenden Werk so taufrisch wie vor fünf, acht oder sechzehn Jahren. Das Cover Jacob Bannons überzeugt mit seiner edlen, schimmernden Optik, ebenfalls restlos. Die bunte Farbgestaltung kommt dann zum Tragen, wenn man das CD- oder Vinylcover gegen das Licht hält.
4 Kommentare
Ich lese bisher nur gute Kritiken zu diesem Album.
Absolut zurecht! Ich freue mich total für mich selbst dass Converge dieses Album veröffentlicht haben.
Qualitätsprodukt!
converge sind weiterhin über jeden zweifel erhaben, sind dennoch auf albumlänge für mich zur zeit zu anstrengend, gebe ich zu, nach rezeption des albums.. wer es, wie ich, weniger technisch/stress-core like und mehr atmosphärisch mag, aber weiterhin den hardcore-vibe beibehalten möchte, sollte mal nesseria ausprobieren: https://www.youtube.com/watch?v=L39fnPmSbEY
The blood brothers, the chariot, the dillinger escape plan ... nicht einfach im Business zu überleben. Qualitativ gibt es leider nicht mehr viel was Converge im Genere parolie bietet. Wer es trotzdem Versucht bekommt mit "The Dusk In Us" auch wieder eine dermaßen hohe Latte vorgesetzt und viel Lehrmaterial. Super komplex mit fein getakteten harten und sanften Tönen immer mit dem obligatorischen Ritt auf der Rasierklinge. Nix Neues...im Gegenteil aber der Stil Perfektioniert. 5/5