laut.de-Kritik

Jenseits des Dancefloors wartet die Dämmerung.

Review von

"Wir leben in einer finsteren, verwirrenden Zeit. In einer Welt, die nicht länger Sinn ergibt, müssen wir im Dunkeln sehen lernen." "The Blinding Dark" ist nicht nur Covenants neuntes Studioalbum in 30 Jahren Bandgeschichte. Es ist der schwarz geronnene Ausfluss obiger Erkenntnis Eskil Simonsons. Diese dystopische Elektropop-Depression mit eingebetteter Lee Hazlewood-Hommage und anspruchsvollen Texten bringt ihr bislang reifstes Werk hervor.

Der große Verdienst des Albums liegt in seiner genreuntypischen Abgründigkeit. Wer hätte allen Ernstes geglaubt, man könne ausgerechnet dem nostalgieseligen Fossil Synthiepop mit soviel Schmackes gegen den Schaukelstuhl treten, dass alle 80er-Gemütlichkeit im Schlund dorniger Finsternis versinkt?

Geschickt gehen Covenant ebenso behutsam wie radikal vor. Einerseits verprellen sie niemanden. Kein einziger Freund konventioneller E-Pop-Klopper bleibt enttäuscht zurück. Für solche Traditionalisten gibt es eingängige Inseln wie das umarmende "I Close My Eyes", das clevere "Morning Star" oder das treibende "Cold Reading". Der indirekte Einfluss von Teilzeit-Mitglied Daniel Meyer (Haujobb) rundet das Klangbild ab.

Auf der textlichen Ebene jedoch bieten sie aller Eingängigkeit die Stirn. Mein Favorit unter den allesamt hittauglichen Midtempo-Perlen ist die Hymne "Sound Mirrors". Doppelbödig und allegorisch erzählen Covenant von gleichnamigen britischen Betonmonstern, deren Hohlspiepelmikrofone an der Küste vom Ersten Weltkrieg bis in die 30er Jahre als Frühwarnsystem gegen Kriegsschiffe, Flugzeuge usw. dienten.

Ganz bewusst zieht Simonson hier eine Parallele zur heutgen Anti-Flüchtlingshysterie und aggressiver Abschottung à la Frontex. Er stellt sich auf die Position des empathischen Humanisten und fordert eine Rückckehr Europas aus den Niederungen allgegenwärtiger Lynchmob-light-Stimmungen. "Listen to the waves of broken souls, homing in on hostile shores; listen to the sound of burning homes, crashing down on shattered ground."

Doch auf der anderen Seite des Dancefloors wartet bereits die absolute Dämmerung. Schritt für Schritt führen sie den Hörer immer tiefer bergab in die von Menschen erschaffene Hölle. Spätestens beim ungesund pulsierenden "Summon Your Spirit" erstickt das letzte glimmende Streichholz. Die Kaputtheit ist dermaßen verschlingend: Sogar führende Dunkelheitsexperten wie Scott Walker oder Nick Cave hätten hieran wohl ihre gar nicht mal so helle Freude.

Mein absoluter Favorit bleibt dennoch das monolithische Kerntrio "Rider On A White Horse"/"Interlude"/"Dies Irae". Ersteres ist tatsächlich die Interpretation eines Lee Hazlewood-Songs von dessen 1977er-Album "Back On the Street Again". Im Zusammenklang mit der elegischen Totenmesse "Interlude"/"Dies Irae" gelingt Covenant eine ganz eigene Version des Jüngsten Gerichts, von dem die Offenbarungen berichten.

Alle drei zusammen ergeben eine exquisite Mauer elektrischer Apokalypse. Eine Wand, so hoch ragend, dass kein Lichtstrahl kommt über ihre Zinnen. Pessimistischer geht es kaum. Doch gerade ob seiner nicht entrinnbaren Trostlosigkeit ist "The Blinding Dark" ein perfekt zusammen gemischtes Warnsignal gegen Abstumpfung und Gleichgültigkeit.

Trackliste

  1. 1. Fullwell
  2. 2. I Close My Eyes
  3. 3. Morning Star
  4. 4. Cold Reading
  5. 5. A Rider On A White Horse
  6. 6. Interlude
  7. 7. Dies Irae
  8. 8. Sound Mirrors (Fulwell)
  9. 9. Interlude
  10. 10. If I Give My Soul
  11. 11. Summon Your Spirit

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