laut.de-Kritik
Romantische Melodien für optimistische Träume.
Review von Philipp KauseGute alte Bekannte kehren zurück. Crowded Houses Hits liegen lange zurück und sind doch noch zeitgemäß. "Don't Dream It's Over" heißt es nun also wie in einem ihrer Klassiker, und ein neues Kapitel Bandgeschichte beginnt. Die neuseeländisch-australisch-britische Softrock-Songwriter-Gruppe mit den großartigen Texten, magischen Melodien und der zutraulichen Stimme Neil Finns spielte neu besetzt ein Dutzend Comeback-Kompositionen ein. Weich erscheint der Gesamteindruck, romantisch die Atmosphäre.
"Dreamers Are Waiting" wirft als LP-Titel den Anker Richtung Dreampop aus. "To The Island" verbreitet träumerische Inselstimmung mit psychedelischen Keyboard-Orgeltönen zwischen wolkenlosen Himmel und türkisblaues, kristallklares Wasser. Das Video dazu untermalt das schön. Das Lied kristallisiert sich rasch als heftiger Ohrwurm heraus, und so super wie schon diese Single klingt, so ausnahmslos geglückt ist auch das ganze Album.
Die knappen Stücke enden gefühlt vorschnell, was sehr für die Unterhaltsamkeit und den Detailreichtum der Platte mit ihren vielen Hinhör-Reizen spricht. Etliche Momente in all den faszinierend crémigen und positiv gestimmten Songs könnte man gut noch ausführlicher zelebrieren, so das Hippie-Beat-Folk-Intro in "Bad Times Good", das klassische Songwriting im CSN-Stil bei "Start Of Something", den power-poppigen Groove in "Playing With Fire" und die fein ziselierten Keyboard-Loops in "Show Me The Way". Auch die heimelig-hymnische, erhebende Bridge in "Real Life Woman" oder die knackig-funk-rockigen Passagen von "Whatever You Want", in polyphoner Multischicht-Keyboards-Vokal-Choral-Konstruktion mit einem Hauch "Pet Sounds".
Dann wäre da der schwungvolle Synkopen-Taktlauf in "Sweettooth", dessen Wahwah-Funk-Gitarre im Solo stilvoll ästhetisch und new waveig eiert. Über allem flötet der prononciert vortragende Finn, hoch und tief springend. Sein unfassbar lebendiger Gesangsstil macht zusammen mit manch wunderbar eingängiger Melodie jeden Track, sogar den 'Slow Burner'-Song "Too Good For This World", zum charakterstarken Hammer-Tune.
Ausgeprägtes Hitpotenzial weisen mindestens fünf Titel schon beim ersten Hören auf, alle anderen spürt man nach dem dritten oder vierten Durchlauf ebenfalls tief im Ohr rotieren. Primäre Pophit-Perlen sind "Playing With Fire", "Show Me The Way", "Real Life Woman", "To The Island" und "Love Isn't Hard At All". Einige davon sparen an Worten und überbrücken lange Passagen mit Lautmalereien wie "pa-pa-pa-pa-pa-pah" und "doo-doo-dee-dee-dee-doo". Stimmungen siegen über allzu viel Storytelling.
Selbst wenn ein Abschnitt von "Playing With Fire" sich mutmaßlich mit dem Lockdown befasst, überwiegt und dominiert auf dem Album ein Dreiklang aus Dankbarkeit, Hoffnung und Frohsinn. Frei übersetzt: "Meine Frau sitzt wütend in Quarantäne / Der Fraktionsführer hat's drauf und kümmert sich für mich drum / Während mein Gehirn immer mehr an seine Grenzen kommt / Aber ich kann ihr diesen Trip nicht erklären", diese Passage kann man wohl nur mit dem zugehörigen Video und seinen Fantasmen nachvollziehen. Düstere Gedanken prallen auf Auswege. Finn hat diesen in sich hineinhorchenden, impressionistischen Track als einzigen aus dem Lockdown heraus aufgebaut, während das meiste andere Material schon vor Corona in Kalifornien eingespielt war. "Die Gegenwart von Hoffnung, zusammen mit einem darüber schwebenden Gefühl von Verderben", beschreibt der Frontmann das Grundgefühl dieses Stücks, aber auch eines Großteils all seiner Lieder, wobei ihm das hier deutlich auffiel, als die Nummer sich nach und nach aus einer Jam-Session und Einzelteilen entwickelte.
Der tänzelnde Folkpop-Soul "Real Life Woman" besticht mit chromatisch abwärts purzelnden Tonfolgen und herzzerreißend süßen Falsett-Passagen, eingebettet in butterweiche Tasten-Sounds. Der Text über eine Frau mit Magnetwirkung - besser gesagt das Image, das sich ein Mann von einer Frau zurechtlegt, ohne dass sie sich damit wohlfühlen würde - wirft mit Adjektiven wie "talentiert, intelligent, unheilbar romantisch" um sich, denen man sofort eine bildliche Vorstellung abgewinnt. Erhabene Vocals zum Midtempo-Klavierspiel verführen zum Dranbleiben.
"Show Me The Way" brilliert mit seiner grandiosen Melodie und mellow Stimmung. Betriebsam flirrig, ausgeschmückt instrumentiert, liebevoll und idyllisch, entwickelt sich das Stück trotz seiner fragilen Töne zum megastarken Klangfilm. Der allegorische, abgehackt fragmentarische Text wirkt völlig rätselhaft, aber die Musik ruft starke, prägnante Bilder hervor. Loop-Effekte verkörpern etwas Wasserartiges, der Kolorit des Arrangements macht einen milden, lockeren Eindruck, trotz Zeilen wie "zeig mir den Weg zur Hölle". Toll, wie Crowded House die Fantasie anregen, was umso mehr für die Klassifizierung als Dreampop spricht.
"Love Isn't Hard At All" punktet als Easy Listening-mit Snare Drum-Gitarren-Symphonie. Ein Wurlitzer-unterstützter harmonischer Break strukturiert den Tune in der Mitte.
Über jeden Bestandteil hier ließe sich viel Wertschätzendes sagen, ohne lang suchen zu müssen, da bildet das locker fließende "Goodnight Everyone" keine Ausnahme, und "Deeper Down" mutet als abrundender Rausschmeißer dieses Wunderwerks mit seiner zauberhaften, komplexen Melodie wie eine Komposition von Mozart und George Harrison an. Man kann Crowded House lange zuhören und sich dabei entspannt darauf verlassen, dass die hohe Musikalität, die perfekt durchkomponierten Lieder, die catchy Harmonien und die sympathische Performance zu 100 Prozent unterhalten. Schon immer hatte diese Band mit Authentizität Erfolg. Sie bleibt sich sehr treu.
1 Kommentar
Wow, tatsächlich. Mir haben Crowded House eigentlich immer zu sehr geplätschert (OK, bin zugegebenermaßen auch nicht wirklich über die Radiohits hinausgekommen), aber kann man das hier an einem lang ersehnten lauen Frühsommerabend ernsthaft NICHT mögen?
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