laut.de-Kritik
Naivität und musikalische Stagnation gehen Hand in Hand.
Review von Jan EhrhardtLange waren Culcha Candela von der Bildfläche verschwunden. Jetzt soll ein neues Album ausbügeln, was Auftritte im ZDF-Fernsehgarten und am Ballermann, eine Juroren-Tätigkeit bei "Deutschland sucht den Superstar" oder die Austritte der Mitglieder Larsito und Mr. Reedoo angerichtet haben: grenzenloses Unverständnis für den Werdegang dieser Band.
Ich gebe offen und ehrlich zu: Ich war und bin Fan der frühen Werke wie "Union Verdadera" oder "Next Generation". "Candelistan" verursacht aber nur eines: Enttäuschung.
Schon die erste Singleauskopplung "Wayne" ließ erahnen, was Culcha Candela auf ihrer neuen LP überwiegend veranstalten. Nämlich den gleichen stumpfsinnigen, lieblos produzierten Großraumdisco-Radiohit-Nonsens, der bereits die letzten beiden Platten der Combo zumüllte. Es scheint, die Jungs haben in der Zwischenzeit nichts dazugelernt. "Traumwelt", "Bei Uns Läuft" und "Zeiten Ändern Sich" reihen sich problemlos in die Schlange der Songs ein, die man nur zu gern von einer hohen Klippe stoßen möchte. Daran ändert auch das selbst-ironisierende "Scheiße Aber Happy" nichts.
"Candelistan" lässt nach wie vor vielfältige musikalische Einflüsse erkennen. Wo man in ihren Frühwerken aber noch das Gefühl hatte, die vielen Inspirationen stammen von den so grundverschiedenen Mitgliedern selbst, nimmt man Itchyban & Co. diese kreativen Nuancen nun nicht mehr ab. "La Bomba" klingt wie ein Song von Orishas. Kein Wunder: Feature-Gast auf diesem Track ist ja auch Roldan Rivero, Sänger der genannten kubanischen Band. Dass aber noch vier andere Musiker am Entstehungsprozess dieses Tracks beteiligt gewesen sein sollen, ist nicht zu erkennen. "Coming Home" weist zumindest im Refrain deutliche Parallelen zur gleichnamigen Single von Diddy Dirty Money auf.
Zumindest "Natural" geht als halbwegs hörbarer Dancehall-Track noch durch, das liegt allerdings zum Großteil am französischen Feature Sir Samuel. Auch wenn sie mit der Einwanderer- und Flüchtlingsthematik in "Lass Ma Einen Bauen" für meinen Geschmack etwas zu locker umgehen (das nur, weil sich die Meinungstendenz der deutschen Bevölkerung aktuell in eine sehr beängstigende Richtung entwickelt), treffen Culcha Candela mit diesem Song voll ins Schwarze. Toleranz und Weltoffenheit, die zentrales Gut der Reggae-Kultur darstellt, wäre etwas für jeden Menschen dieses Planeten.
Mit "Schöne Frauen" und "Nie Genug" ist dann aber der absolute Abgrund der LP erreicht. Auf "Schöne Frauen" verraten Culcha Candela ihre Wurzeln nicht nur, sie spucken ihnen ins Gesicht, werfen sie zu Boden und trampeln darauf herum. Weshalb man solch einen Zeitgeist-Brei überhaupt erst produziert, wird mir wohl immer ein Rätsel bleiben.
Aber Tracks produziert das Quartett ja sowieso wie am Fließband: "Nie Genug" ist im Prinzip dem Intro des 2004 selbst veröffentlichten "Back To Our Roots" entnommen. Langweiliger Soca-Beat dahintergeklemmt, inhaltsleerer Text drauf - fertig. So schnell kann es gehen. So schnell leidet aber auch die Qualität: "Ey, das ist unser Tune, was für ein geiler Groove. Ladies shaken ihre Booties, es macht boom boom boom."
"Welcome to Candelistan! Der Eintritt kostet nur'n high five!", versprechen noch die ersten Worten des Openers. Hätte ich gewusst, dass mich das Hören dieses musikalischen Magenauswurfs 45 Minuten und 43 Sekunden vergeudete Lebenszeit kosten, hätte ich den CD-Spieler nach "Welcome To Candelistan" wohl direkt wieder abgestellt. Sicher, Culcha Candela veröffentlichen mit "Candelistan" ein Album voller "potenzieller Singles", wie es so schön im Pressetext heißt. Radiotauglich sind die Tracks allemal, keine Frage. Aber jeglichem musikalischen Anspruch, so gering er auch sein mag, genügt "Candelistan" leider nicht.
36 Kommentare mit 48 Antworten
Ungehört 1/5, versteht sich von selbst.
Seh ich.
Ich finde es unfair, dass wöchentlich nur die bedeutendsten Alben der Musikgeschichte gewürdigt werden und die beschissensten auf der Strecke bleiben. Ich fordere hiermit eine "Meilenscheiße"-Rubrik, in der genau so eine beschissene Scheiße, wie das hier vorliegende Album, gewürdigt wird. Für diese (und nur für diese) Ausnahmescheiße wird dann auch die 0/5-Wertung eingeführt.
Da sie leider (noch) nicht existiert, vergebe ich hier selbstverständlich ungehört 1/5. Mateo ungehört ein Hurensohn.
Geniale Idee.
meilenscheiße! wir hatten die idee tatsächlich schon mal, arbeitstitel allerdings "gallenstein". scheiterte bisher an der gruseligen vorstellung, dass man sich zusätzlich zur aktuellen auch noch die ausgegrabene alte scheiße geben müsste ...
Bringt das ruhig mal wieder ins Gespräch. Verrisse kommen sowieso gut an und manche Alben sind einfach so schlecht, dass man sie für die Ewigkeit festhalten sollte. ^^
Wer ist Mateo?
Ein Hurensohn ohnegleichen. Außerdem bekannt als Mitglied bei Culcha Candela, was aber niemand wusste, bevor er bei DSDS den Juror gemacht hat.
MATEO DU HURENSOHN!
Ich hoffe Tilman Knechtel kann demnächst aufdecken was hier im Hintergrund gelaufen ist. Die Höhe dieser Punktzahl ist einfach absurd, das kann kein Zufall sein.
Culcha Candela beste Band der Welt!!!
Nein.
Musik für Hurensöhne.
Klar ein schlechtes Album, aber ganz ehrlich, im Vergleich zu Vorgänger ist das Album fast schon ein Meisterwerk.