laut.de-Kritik
Wiege zur Weihe! Woge zur Welle! Hossahe!
Review von Kay SchierHeda! Hossa! Holde Maid, gelüstet's dich nach einem flotten Schwof mit den edlen Recken Ronny, Dennis und Rico auf dem Mittelaltermarkt Probstheida (eigentlich wollten wir ja alle die Woche zusammen nach Lloret mit den Jungs, aber dem Rico seine Freundin erlaubt's ihm nicht, nach dem, was da auf dem Hard-Tekk-Rave mit der holden Jaqueline lief)? Da zocken zur Mittsommernacht D'Artagnan, die mit "In Jener Nacht" gegen Santiano und Konsorten antreten, wer im Genre des Pro7-Core den Plastikdegen am galantesten zückt.
Denn obwohl der Geselle in dem Rico seinem Ausbildungsbetrieb ständig was erzählt von wegen, dass die Echsenmenschen den Laden hier bald übernehmen und uns alle zu Sklaven der NWO machen, schenken die Musketiere die Methörner voll: Zwo, drei, vier, "Einer für alle, für ein', [unverständlich] Weib und Wein!", so läuft das in dieser geilen Republik. Und da soll dem Rico seine Freundin sich mal nicht so haben, denn an Tagen wie diesen sind wir "Endlich Frei": "Warum, warum, warum mein einzig lieb' / warum darf es nicht sein", ja warum eigentlich darf der Rico, wie er da auf dem Tisch tanzt, nicht seine Gefühle und Bedürfnisse frei laufen lassen, auch wenn es ein bisschen stinkt und mir ins Bier tropft?
Natürlich darf er das, das muss der Tisch, mein Bier und eine Demokratie aushalten können, dass der Rico eben nicht einhalten kann, wenn es heißt: "Spreng die Ketten, reißt die Mauern ein / die uns im Wege sind." Da revanchiert man sich gerne mit etwas Kotter auf dem Rico seine neuen Airmax, die Jungs sollen später schließlich nicht behaupten, man habe sich mit dem Kirschlikör ungebührlich zurückgehalten: "In der Welt, in der wir leben / zählen Taten umso mehr."
Womit man sich aber im Sinne journalistischer Integrität nicht zurückhalten kann, ist Kritik an den Marketinggenies, denen wir diese Truppe wahrscheinlich verdanken. Die haben schlicht schlampig gearbeitet. Der Style von D'Artagnan lässt sich nämlich nur unscharf einordnen: Einerseits Degenimage, andererseits Methorn-Sound, da stimmt doch was nicht. Wo zum Beispiel Santiano in Ton und Bild konsequent Shanties abschlachten, als hätte man Störtebeker Ale mit Fanta gemixt, verknüpfen D'Artagnan generisch-finsteren Mittelalter-Rock mit diesem irritierenden Mantel und Degen-Film.
Cover und Videos (ohne Ton übrigens eine Mordsgaudi) wecken Vorfreude, es hier mit einer ungeahnten, ganz neuen Art von Scheiße zu tun zu haben, dass eines der Genies final durchgeknallt ist, beim Meeting auf den Tisch sprang und ausrief: "Da brat mir doch einer 'nen Storch, ich hab's! Wie hieß nochmal dieser Hugo? DAS machen wir, aber in richtig geil! Mies der Barockfilm, Siebzehntes Jahrhundert, ihr wisst! Die Fuge ballert richtig los!" Wie singen D'Artagnan so schön: "Sing' mir ein Lied / von dem Helden, der zieht."
Und die Hoffnung bleibt, dass es auch genau so gelaufen ist, und die Umsetzung des Konzepts einfach am künstlerischen Ego des Frontmanns scheiterte, der, muss man wissen, unter dem Alias "Prinz Hodenherz" auch bei der Mittelaltercombo Feuerschwanz aktiv ist. "Ein Prinz Hodenherz ändert nicht so mir nichts, dir nichts den Style, den die Fans lieben", mag er gesagt und wutentbrannt die Plastikklinge gezückt haben. "Wer hier an der Tafel Manns genug ist, der soll mich kennenlernen!", und dann haben sie eben resigniert. Folglich haben sie auch darauf verzichtet, ihm ins Gesicht zu sagen, dass das kein echtes Schwert ist und er weder ein echter Prinz noch ein echter Musiker (das mit den Hoden stimmt wahrscheinlich).
Denn lässt man diese Hoffnung fahren, kann es nur so gelaufen sein: "Leute, wir machen exakt den selben Bullshit in anderen Kostümen." "Der Bullshit" meint Melodien, die man sich im Geiste des Dreißigjährigen Kriegs aus dem Fundus aller geistlosen Popsongs der westlichen Welt herbeigeplündert und -gebrandschatzt hat, zumindest das ist konsequent umgesetzt. Diese sind eingebettet in Arrangements, für welche eine melodieführende Fiedel und irgend eine undefinierbare Flöte das sind, was Hexenverbrennungen und Pestilenz für die Zeit damals waren: Ginge auch ohne, würde mehr Spaß machen, fühlt sich aber ansonsten wahrscheinlich nicht authentisch an. Dazu klampfen und poltern D'Artagnan zünftig vom Leder, dass man richtig Lust bekommt, wie einst Tilly in Magdeburg mit dem Studio, dem diese Ausgeburt entsprang, kurzen Prozess zu machen. Das gibt's in flott ("Einer Für Alle Für Ein'") und in nachdenklich ("Entfache Mein Feuer"), insgesamt vierzehnmal.
Lyrisch orientiert man sich im Großen und Ganzen an unser aller Alpha-Helene, mit einem Schuss Prinz Hodenherz-Swagger: Ob Pech oder Glück, gestern ist das heute von jetze, mach noch einmal voll, die Tassen, denn wir bleiben hier, bis die Wolken wieder lila sind, und die Maiden sollen das Mieder ruhig mal hochkrempeln, schließlich sind wir besoffen. Da stört es auch nicht weiter, dass D'Artagnan im Bemühen, irgendwie altertümlich zu klingen, die Regeln der Grammatik auf eine Weise außer Kraft setzen, für die sie schon damals tüchtig verdroschen worden wären: "Man hört in den Geschichten unsrer Väter / die als Kind unsere Großmütter erzählten" Das heißt, meine Großmutter, als sie noch ein Kind war, hat immer von meinem Vater erzählt? Alles klar. "Wer weiß es zu leben/ als sei gestern nie geschehn.", ja, wer weiß das? Wieder keiner? Sechs, setzen, Wiedersehen macht Freude und ein bisschen Spaß muss sein.
Denn wenn das Gestern nie geschehen ist, macht es heute eben umso mehr Spaß, in diesem flachen Sumpf aus ganz falsch verstandenem Irish Folk, Schlager und Mittelaltermarkts-Männlichkeit zu planschen. "Wer hat von euch hier die Heldenkraft?", "Dann weißt du, wie Freiheit schmeckt.", "Drum bleiben wir stählern, drum bleiben wir stark.", und so weiter und so fort.
Das ist, Hand aufs Herz, in seiner blassen Beschissenheit einerseits völlig harmlos. Und andererseits wird man das Bild nicht los, wie zwei stählerne deutsche Mannsbilder, nennen wir sie Götz und Björn, vor Götzens Kamin auf seinem Rittergut in Schnellroda sitzen, sich das Album zu Gemüte führen und die wichtigen Themen Genderwahn und Umvolkung diskutieren. Die Stimmung ist gelöst, Frau trägt den Honigwein auf und Götz' Kinder Brünhild, Freya, Barbarossa, Heidrun, Siegfried, Götz Junior und Adolf tollen blond um die Feuerstelle.
Auch, wenn man diese unappetitlichen Assoziationen bei Seite lässt, schmeckt die Sülze nicht wesentlich besser. Wenn man nicht erleuchtet und zum Schluss gekommen ist, dass schlechte Musik das Selbe ist wie gute Musik, nur umgekehrt, sollte man dieses Album des Seelenheils wegen besser meiden. Hier könnte jetzt zum Abschluss noch ein D'Artagnan-Zitat stehen. Aber das muss nicht sein.
12 Kommentare mit 19 Antworten
kernschrott.
Jungs Ihr seit einfach super!
du auch oli.
seit/seid steht in deinem germanistikstudium noch auf dem lehrplan?
Ich denke, du bist hier in eine Germanisten-Ironie-Falle getappt. An Deiner Stelle würde ich mich wohl direkt löschen, wenn ich jemals so hart von OLIVANDER gefistet werden würde.
kann mir das auch nicht anders erklären.
aber macht mich halt hart geil, wenn öli so derb den inderleltuehlen raushängen läßt
Einfach nur utopisch
Analog dazu die neue LP von Brenner: Rockmusik auf Schlagerbasis für jene, die bei Santiano seekrank werden und denen D'Artagnan zu muffig mittelalterlich ist. Dasselbe in popelgrün, einfach auf Biker getrimmt und ebenso peinlich.
Von "Brenner" hab ich gestern zufällig TV-Werbung gesehen, und wusste nicht, was ich schlimmer finden sollte. Die Musik als solche, die Typen, die sie machen, oder die Tatsache, dass es wohl tatsächlich einen Markt für sowas gibt.
Danke für den Brenner Tip. Steh voll auf solche Musik.
War mir vollkommen klar das die Deppen von laut.de samt ihrer verblödeten Gefolgschaft nicht umhin kommen das Album im höchsten Maße zu loben.
Das mit dem Verweis auf rechts war zwar drüber, aber ansonsten eine famose Kritik,selten so gelacht.
Ist zwar unverständlich,aber ich habe Arbeitskollegen,die nehmen das voll ERNST und stehen drauf.